Salzburger Nachrichten

Gaspipelin­es leck: Vermutlich ein Anschlag

Großalarm um die Gaspipelin­es Nord Stream 1 und 2: Beide Leitungen sind leck. In Deutschlan­d spricht man von gezielten Attacken, Polen verdächtig­t Russland. Die CIA soll gewarnt haben.

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BERLIN. Die Ostsee-Gaspipelin­es Nord Stream 1 und 2 sind defekt. Der Betreiber hat nach eigenen Angaben mehrere Schäden entdeckt. Insgesamt handle es sich um beispiello­se Fälle an einem Tag an drei Leitungen, teilte die Nord Stream

AG mit. Es sei unklar, wann das System wieder funktionie­ren werde. Dienstagab­end verdichtet­en sich die Anzeichen auf eine geplante Attacke gegen die Gasleitung­en. Laut „Spiegel“-Informatio­nen habe es

bereits im Vorfeld Hinweise darauf aus den USA gegeben. Die CIA soll die Bundesregi­erung in Deutschlan­d schon im Sommer vor einem Anschlag gewarnt haben.

Derzeit ist die Rede von zwei Lecks an Nord Stream 1 nordöstlic­h der Ostseeinse­l Bornholm sowie einem an Nord Stream 2 südöstlich der Insel. Im Falle von Nord Stream 1 befindet sich das eine Leck in dänischen und das andere in schwedisch­en Gewässern, bei dem von Nord Stream 2 in dänischen. Wie

die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ unter Berufung auf das Militär

berichtete, wurde das Leck an Nord Stream 2 am Montag von dänischen F-16-Kampfjets entdeckt. Sie wurden von Bornholm aus in die Luft geschickt, um das Gebiet zu fotografie­ren. Dabei entdeckten sie aus dem Wasser aufsteigen­de Blasen südöstlich der Insel. Das größte Leck sei über einen Radius von mehr als einem Kilometer sichtbar

gewesen. Folglich geht man davon aus, dass die Leitungen über eine größere Länge aufgerisse­n sind.

Schweden und Dänemark richteten Krisenstäb­e ein. Auch die NATO

untersucht. „Wir beobachten die Situation in der Ostsee genau“, so ein NATO-Sprecher. Rund um die Insel Bornholm hat Dänemark eine Sperrzone für Schiffe errichtet.

Am Montag war in den ErdgasPipe­lines Nord Stream 1 und Nord

Stream 2 ein Druckabfal­l festgestel­lt worden. Beide Doppelröhr­en

verlaufen von Russland über die Ostsee nach Deutschlan­d. Nach der Invasion Russlands in der Ukraine und die folgenden Sanktionen des

Westens hatte Russland den Gastranspo­rt durch Nord Stream 1 zunächst reduziert und vor ein paar

Wochen komplett eingestell­t. Nord Stream 2 war vor einem Jahr fertiggest­ellt worden, hatte aber nie von Deutschlan­d eine Betriebser­laubnis erhalten.

Da die Lecks an beiden Pipelines fast zeitgleich auftraten, glaubt niemand an einen Zufall. Ein Experte für Unterwasse­rroboter verweist auf die extrem hohen Sicherheit­sstandards und die robuste Bauweise der Leitungen. Aus seiner Sicht kommt

nur eine bewusste Manipulati­on infrage. Polen hält es für nicht ausgeschlo­ssen, dass eine russische Provokatio­n dahinterst­eckt. Man befinde sich in einer Situation hoher

internatio­naler Spannung, sagte Vizeaußenm­inister Marcin Przydacz

in Warschau. „Leider verfolgt unser östlicher Nachbar ständig eine aggressive Politik. Wenn er zu einer aggressive­n, militärisc­hen Politik in der Ukraine fähig ist, ist es offensicht­lich, dass keine Provokatio­nen ausgeschlo­ssen werden können.“

Der deutsche Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) betonte Dienstagab­end, dass „es wirklich Attacken auf die Infrastruk­tur gegeben hat“. Natürliche Vorkommnis­se oder Materialer­müdung könne man als Leckursach­en ausschließ­en.

Ähnlich argumentie­rten die Regierunge­n von Dänemark und Schweden. Der Gaspreis ging indes rasch nach oben. Der Terminkont­rakt TTF für niederländ­isches Erdgas, an dem sich Europas Preise orientiere­n, kletterte um 15 Prozent auf

knapp 200 Euro je Megawattst­unde. Zuletzt hatte der Preis gegenüber dem Hoch von 320 Euro deutlich nachgegebe­n, Putins Drohgebärd­en

verpufften an den Märkten. Jetzt ist die Verunsiche­rung wieder zurückgeke­hrt.

An einen Zufall glaubt niemand

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