Eine ungewisse Zukunft
Die Scheinreferenden brachten am Dienstag das erwartete Ergebnis. Russland will damit die besetzten Gebiete in der Ukraine schnell annektieren. Aber was heißt das?
Erste Teilergebnisse von völkerrechtswidrigen Abstimmungen in vier von Russland besetzten Regionen der Ukraine zeigen, dass eine überwältigende Mehrheit der Bewohner den Anschluss an Russland befürwortet.
Das meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti am Dienstag nach den Scheinreferenden, die von Kiew und dem Westen nicht anerkannt werden.
Der Föderationsrat – das Oberhaus des russischen Parlaments – könnte nach Angaben der Vorsitzenden Valentina Matwijenko am
kommenden Dienstag über den Beitritt der besetzten ukrainischen Gebiete zu Russland entscheiden. Zuvor war in Medien spekuliert worden, Präsident Wladimir Putin
könnte schon am kommenden Freitag in einer Rede vor beiden Kammern des russischen Parlaments die
Annexion der insgesamt vier Gebiete im Osten und Süden der Ukraine formell bekannt geben.
Nach Auszählung der Stimmzettel in Wahllokalen in Russland hätten zwischen 87 und 98 Prozent der aus den Gebieten Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja stammenden Wähler für einen Beitritt ihrer Heimatregionen zu Russland gestimmt, meldeten russische
Agenturen. Die Abstimmung hatte fünf Tage lang in den vier Regionen stattgefunden, die etwa 15 Prozent des ukrainischen Territoriums ausmachen. Die USA kündigten an, eine gegen die „russischen Scheinreferenden“gerichtete UN-Resolution vorzubereiten.
Die Abstimmung, die laut NATO gegen internationales Recht verstoße, ebnet den Weg für Präsident
Wladimir Putin, die vier Gebiete zu annektieren. Danach könnte Russland
jeden ukrainischen Versuch, sie zurückzuerobern, als einen Angriff auf Russland selbst darstellen.
Am 21. September erklärte Putin, er sei bereit, Atomwaffen einzusetzen,
um die „territoriale Integrität“Russlands zu verteidigen. Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrats ist, wiederholte am Dienstag auf Telegram die Drohungen: „Ich muss Sie noch einmal daran erinnern, für die tauben Ohren, die nur sich selbst hören: Russland hat das Recht, Atomwaffen einzusetzen, wenn es nötig ist. Das ist sicher kein Bluff.“
Die Ukraine hat wiederholt gewarnt, dass die russische Annexion weiterer Gebiete jede Chance auf Friedensgespräche zunichtemachen würde. Die Scheinreferenden werden weltweit nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze
und ohne demokratische Mindeststandards abgehalten wurden.
Kiew wird sich von den sogenannten Referenden in vier russisch kontrollierten Gebieten in der Ukraine zur Annexion durch Russland nach eigenen Angaben nicht
beeinflussen lassen. „Diese Maßnahmen, diese Entscheidungen von Putin werden keinen Einfluss auf die Politik, Diplomatie und das
Handeln der Ukraine auf dem Schlachtfeld haben“, sagte Kiews Außenminister Dmytro Kuleba.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Dienstag in einer Video-Ansprache vor dem
UN-Sicherheitsrat in Richtung Putin: „Annexion ist die Art von Handlung, die ihn allein gegen die gesamte Menschheit stellt. Ein klares Signal wird jetzt von jedem Land der
Welt benötigt.“