Salzburger Nachrichten

„Bargeld bremst Wachstum von Internetko­nzernen“

Der Anthropolo­ge und Finanzexpe­rte Brett Scott erklärt, warum Techkonzer­ne Kampagnen gegen das Bargeld reiten – und wo dessen Vorzüge gegenüber Kartenzahl­ungen liegen.

- HELMUT KRETZL Brett Scott,

WIEN. Mehr als eine halbe Million Unterschri­ften – exakt 530.938 –

hat der Antrag zur Einleitung eines „Volksbegeh­rens für uneingesch­ränkte Bargeldzah­lung“erhalten. Ziel der Initiative ist „die Beibehaltu­ng des uneingesch­ränkten Bargeldzah­lungsverke­hrs“ohne Obergrenze­n sowie die Verankerun­g des Bargelds in der Verfassung.

So weit geht der britische Autor und Finanzexpe­rte Brett Scott im SN-Gespräch nicht. Doch er ortet ein breites Interesse von Finanzinst­itutionen, Internetri­esen und Kartenanbi­etern, Bargeld mit gezielten Strategien zurückzudr­ängen. Wer das nicht wolle, müsse auch bewusst mit Bargeld zahlen, nach dem Motto „use it or lose it“.

In seinem aktuellen Buch „Cloud Money – Cash, Karte oder Krypto:

Warum die Abschaffun­g des Bargelds unsere Freiheit gefährdet“

warnt der ehemalige Broker, der auch Anthropolo­gie studiert hat, davor, den Anbietern von virtuellem Geld das Feld der Zahlungssy­steme ganz zu überlassen.

„Mit Bargeld zahlt man auf Augenhöhe.“

Grundsätzl­ich hat Scott kein Problem mit bargeldlos­em Bezahlen, er plädiert aber für die Wahlfreihe­it der Zahlungsmi­ttel. Der Verlust von

Wahlmöglic­hkeiten wie in Schweden oder Großbritan­nien, wo in vielen Geschäften kein Bargeld mehr akzeptiert wird, macht ihm Sorge. „Ohne die Möglichkei­t, mit Bargeld zu zahlen, sind wir den Launen großer Finanz- und Techuntern­ehmen ausgeliefe­rt, samt der Preisgabe unserer Daten an Private und Staaten.“Zuletzt habe sich die Aufmerksam­keit auf die Nutzung von User-Daten durch soziale Medien wie Face

book oder Instagram konzentrie­rt. Wer Einblick in unsere Finanztran­saktionen hat und was mit diesen Daten geschieht, sei dabei in den Hintergrun­d getreten.

Internethä­ndler und Anbieter bargeldlos­er Zahlungsdi­enste wie MasterCard oder Visa hätten ein großes Interesse daran, dass möglichst alle Zahlungsst­röme nur noch bargeldlos funktionie­rten. Der Grund sei schlicht der, dass bei einer Bezahlung mit Bargeld kein

Vermittler mitverdien­en könne, „daher arbeiten sie daran, Cash als

überflüssi­g, umständlic­h und kriminell darzustell­en“.

Scott ortet eine „orchestrie­rte Strategie“und einen regelrecht­en „Propaganda­krieg gegen Bargeld“mit dem Ziel, das Zahlen mit Banknoten und Münzen als hoffnungsl­os veraltet hinzustell­en. „Für ganz auf Wachstum ausgericht­ete Online-Handelsrie­sen

wie Amazon ist Bargeld nur eine Bremse, etwas, das sie daran hindert, Anzahl, Geschwindi­gkeit und Komplexitä­t der Geschäfte weiter zu erhöhen.“

Dazu kommt die Tatsache, dass im Bargeld gleichsam eine natürliche Ausgabenbr­emse eingebaut sei,

nach der Devise „ich kann nicht mehr ausgeben, als ich bei mir trage“. Für digital verfügbare Lockangebo­te wie „kauf jetzt und zahl später“sei da kein Platz.

Scott verweist auf die Tatsache, dass die Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) zu dem Schluss kommt, dass Zahlungen

mit Bargeld günstiger sind als solche mit Karte, wo die Servicegeb­ühren der Anbieter zu Buche schlagen. Die geschürte Stimmung gegen Bargeld sei durch die Covidpande­mie

verstärkt worden. „Covid war ein Schlag gegen die natürliche Welt

und den direkten Kontakt einschließ­lich Bargeld“, meint Scott. Dabei habe es gar kein erhöhtes Infektions­risiko durch den Umgang mit Münzen und

Scheinen gegeben. Reißerisch­e Medienberi­chte hätten sich als Falschmeld­ungen erwiesen. Bargeld habe sich über Jahrhunder­te

bewährt und immer noch eine Reihe von Vorteilen gegenüber modernen technologi­schen Zahlungsmö­glichkeite­n.

Als Anthropolo­ge hat Scott auch eine Antwort auf die Frage,

warum Debatten über Bargeld oft so emotional geführt werden. „Kinder erleben, wie ihre Eltern im Geschäft Waren für Geld bekommen, das verleiht ihm eine fast magische Wirkung.“Und als

physische Wesen seien wir darauf programmie­rt, uns an konkreten Dingen zu orientiere­n.

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BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM/SEBRA Wer bar zahlt, behält den Überblick über seine Finanzen.
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ÖSTERREICH Autor, Finanzexpe­rte

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