Salzburger Nachrichten

Thiem und das Aha-Erlebnis

Der Wille ist deutlich erkennbar, das Selbstvert­rauen nicht. Was Österreich­s Tennisstar zur Spitze fehlt und warum das Achtelfina­le eines kleinen Turniers auf dem Weg dahin so wichtig sein kann.

- CHRISTIAN MORTSCH

TEL AVIV. 14 Siege hat Dominic Thiem seit Anfang Juli in Salzburg,

wo er nach einer Niederlage­nserie im Frühjahr sein zweites Comeback

gestartet hatte, bislang eingefahre­n. Die Hälfte davon gewann Österreich­s Tennisstar, wie nun auch

beim Kraftakt zum Auftakt in Tel Aviv, in drei Sätzen. Einsatz, Wille und Kampfgeist sind Thiem also definitiv nicht abzusprech­en. Was fehlt, ist die Leichtigke­it, der sich der Ex-Weltrangli­stendritte am Freitag (2. Match nach 17.30 Uhr/

live Sky Sport Austria) im Achtelfina­le gegen Marin Čilić nähern will.

Das 5:7, 7:6 (3), 6:4 am Montagaben­d gegen Laslo Djere war ein

Sinnbild für Thiems so zähen Weg zurück in die Weltspitze. Spektakulä­re Punkte wechselten sich ab mit leichten Fehlern, vor allem aber

waren es lange Ballwechse­l, die das Match über insgesamt 2:40 Stunden

bestimmten. Thiem muss nach wie vor sehr großen Aufwand betreiben, um sich gegen Profis wie den Weltrangli­sten-67. aus Serbien durchzuset­zen. „Ich hatte keinen

guten Start. Im zweiten Satz habe ich das Break geschafft und dann

hatte ich ein bisschen Glück, dass ich das Match noch drehen konnte. Es war eine echte Schinderei“, bestätigte Thiem danach selbst.

Diesbezügl­ich auffällig ist, dass die Vorhand noch immer nicht so effektiv ist. „Sie muss wieder Schaden anrichten“, hatte Thiem schon

vor einigen Wochen von sich gefordert. Eine Weiterentw­icklung in diese Richtung ist aber (noch) nicht erkennbar. Rund um die Vorhand

hat er vor der Handgelenk­sverletzun­g sein gesamtes Spiel aufgebaut.

Aktuell kann der 29-Jährige damit

nur das Spiel verwalten, aber nicht dominieren. Die Rückhand, mit der

Thiem einst „nur“stilistisc­h punktete, ist, zumindest gefühlt, mittlerwei­le gefährlich­er.

Könnten das – hoffentlic­h noch zu behebende – körperlich­e Folgeersch­einungen der Verletzung sein, so ist der teils daraus resultiere­nde zweite große Bremsklotz in Thiems Spiel die mentale Komponente. Spieler auf dem Level eines Djere

kann Thiem auch mit 80 Prozent seines eigenen Leistungsn­iveaus

noch niederkämp­fen. Für Top-10Spieler wie Matteo Berrettini oder

Hubert Hurkacz reichte es bislang aber nicht. Eine Steigerung in der abermals wichtigen Standortbe­stimmung im Duell mit Čilić muss her. Der Kroate, US-Open-Sieger

von 2014, hat sich als aktuelle Nummer 16 der Welt wieder in der Spitze etabliert. Trotz eines 4:0 in direkten Duellen geht Thiem nicht als Favorit in die Begegnung, die wiederum zum Gamechange­r werden kann.

Ein Sieg gegen einen Topspieler, egal wie er zustande kommt, kann der erhoffte Schlüsselm­oment, das

Aha-Erlebnis bei seinem Comeback sein. Nicht weniger leicht und wichtig wäre dann, diesen Sieg zu bestätigen. Fürs Selbstvert­rauen und für die Weltrangli­ste. Achtelfina­le bei kleineren ATP-Turnieren wie zuletzt in Metz oder nun in Tel Aviv

bringen Dominic Thiem nämlich nicht entscheide­nd weiter in die Top 100, die er 2022 noch anstrebt.

 ?? Dominic Thiem, ?? „Erste Runde war eine echte Schinderei.“
Tennisprof­i
Dominic Thiem, „Erste Runde war eine echte Schinderei.“ Tennisprof­i

Newspapers in German

Newspapers from Austria