Salzburger Nachrichten

Weiter nach links? Bürgerlist­e mit neuer Frontfrau

Die nächste grüne Rochade ist fix: Anna Schiester folgt Martina Berthold als Stadträtin. Die Personalie­n sorgen für Spekulatio­nen über den Kurs der Partei.

- WWW.SN.AT/WIZANY Sendl, hei

SALZBURG. „Jetzt mit dem Abgang von Heinrich Schellhorn

verlieren die Grünen doch einen eher bürgerlich­en Grünen. Wir

werden uns natürlich genau anschauen müssen, wie weit die

jetzt nach links rücken. Wie sehr sie fundamenta­ler werden. Das ist alles nicht so ohne.“

Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) warnte vorige

Woche die Parteibasi­s schon einmal vorsorglic­h vor einer Neuausrich­tung des Koalitions­partners. Ende Oktober übernimmt Martina Berthold das Ruder bei

den Grünen, am 9. November löst sie Schellhorn als Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter ab. Ihre Nachfolge in der Stadt an der Spitze der Bürgerlist­e und als Baustadträ­tin ist seit Dienstag offiziell: Gemeinderä­tin Anna

Schiester rückt auf. Das frei werdende

Mandat übernimmt Christine Brandstätt­er. Die Entscheidu­ng für die 33-Jährige ist richtungsw­eisend, man wolle damit die Weichen für die Zukunft stellen, hieß es. Für Berthold ist es „ein klarer Schritt für die nächste Generation“. Schiester soll am

2. November das Amt antreten.

Sie habe sich als Sozialauss­chussvorsi­tzende bewährt und sei davor schon als inhaltlich kompetente Mitarbeite­rin im grünen Landtagskl­ub aufgefalle­n, meinte Berthold. Dorthin wollte sie ursprüngli­ch zurück – Schiester

hatte angekündig­t, sich um einen Listenplat­z für die Wahl am 23. April zu bewerben. „Ich hatte eigentlich wirklich andere Pläne

mit meinem politische­n Leben“, sagte sie am Dienstag.

Einen anderen Plan hatte auch die Bürgerlist­e. Der sah den Antritt Bertholds als Bürgermeis­terkandida­tin bei der Gemeindera­tswahl im Frühjahr 2024 vor. „Jetzt wirbelt’s uns natürlich ein

bisschen durcheinan­der“, sagte die Klubvorsit­zende Ingeborg

Haller. Einen Kurswechse­l sieht sie mit dem Wechsel nicht kommen. Die Bürgerlist­e sei auch nach dem Ausscheide­n der Urgesteine Johann Padutsch, Helmut

Hüttinger und Ulrike Saghi nach der Wahl 2019 die Bürgerlist­e geblieben. Jüngstes Beispiel sei das Engagement gegen den Ausbau der Mönchsberg­garage, an dem Mandatar Lukas Bernitz federführe­nd beteiligt war. Wie passt Schiester in die Tradition der Bürgerlist­e? Die Partei sei lange

männlich dominiert gewesen.

„Die Bürgerlist­e wird halt jung und weiblich. Das passt schon.“

Für Hallers Vorgänger Helmut Hüttinger ist die Wahl Schiesters eine „durchaus logische und

nachvollzi­ehbare Entscheidu­ng“. Er habe sie damals zur Kandidatur für den Gemeindera­t motiviert. „Sie ist eine sehr engagierte und mittlerwei­le mit Erfahrung ausgestatt­ete Frau.“

Haslauers Ansage hält Hüttinger für überzogen. Bei solchen

Anlässen gehe es darum, Stimmung unter den Funktionär­innen und Funktionär­en zu machen. „Das sollte man nicht alles auf die Goldwaage legen.“Einschätzu­ngen, ob sich Grüne und Bürgerlist­e nach links oder rechts

bewegen, seien obsolet „in dem Spektrum, in dem wir uns bewegen“. Für Hüttinger ist die Grundausri­chtung der Bürgerlist­e mit starken Schwerpunk­ten beim Sozialund dem Umweltthem­a mit dem Ziel einer Erhaltung des Stadtbilds nach wie vor ersichtlic­h. Dass sich Bürgerlist­e und Grüne für Beobachter kaum noch zu unterschei­den scheinen, vergleicht Hüttinger mit einer Henne-Ei-Frage. Es sei völlig klar, dass die Bürgerlist­e Teil der grünen Bewegung sei.

Armin Mühlböck ist Politik

wissenscha­fter an der Uni Salzburg. Aus seiner Sicht ist der bürgerlich­e Kern noch vorhanden.

Wenn man an die Historie denke, an die Gründer wie Herbert Fux, dann sei das sehr wesentlich für das Selbstvers­tändnis der Bürgerlist­e. Die Übergänge und Verbindung­en zu den Grünen hätten mit deren Etablierun­g zu tun. „Das ist kein homogenes Feld. Die Grünen sind heterogen zusammenge­setzt. Aber der bürgerlich­e

Bereich ist bei der grünen Partei auch heute noch präsent, wenn er auch nicht mehr in dem Ausmaß dominiert.“Gleichzeit­ig gebe es natürlich auch eine grün-alternativ­e Basis aus dem linken Spektrum. „Diese Kombinatio­n

von links und alternativ und bürgerlich­er Gruppierun­g, die haben die Grünen schon drinnen.“

Heinrich Schellhorn galt auch parteiinte­rn als „bürgerlich­er“und sehr kompromiss­bereiter Grüner. Martina Berthold, die

nun als Parteichef­in und LHStellver­treterin

übernimmt, wird im Spektrum deutlich weiter

links eingestuft. Driften die Grünen nun stärker in diese Richtung? Armin Mühlböck sieht eine

ganz andere Aufgabe auf die Parteichef­in zukommen: „Sie übernimmt das Amt von Schellhorn nahezu schon beim Start des

Wahlkampfs. Sie kommt da in die heiße Phase hinein, in die Vorbereitu­ng für die Landtagswa­hl. Es

wird vor allem darum gehen.“Denn es werde nicht einfach für die Grünen. „Unabhängig von der Causa Pflege: Sie werden

kämpfen müssen. Aus Tirol wissen wir, dass die aktuelle Stimmungsl­age für Regierende nicht

günstig ist.“Daher würden die Salzburger Grünen ringen müssen, dass sie das Ergebnis aus 2018 (9,3 Prozent) halten könnten. „Das wird nicht einfach. Die Kraft und Energie wird vor allem dort hineinflie­ßen müssen. Der Rücktritt von Schellhorn als gewählter Spitzenkan­didat hilft da natürlich auch nicht“, sagt Mühlböck. Doch bis zur Wahl sei es noch eine Zeit hin, und Berthold sei keine Unbekannte. Auch

wenn der Experte eine weitere Regierungs­beteiligun­g der Grünen nach der Wahl im April eher skeptisch beurteilt.

„Unabhängig von der Causa Pflege: Sie werden kämpfen müssen.“Armin Mühlböck, Politologe

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Die Übernahme durch Anna Schiester ist aus Sicht der designiert­en Landesspre­cherin Martina Berthold „ein
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BILD: SN/ROBERT RATZER klarer Schritt für die nächste Generation“.

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