Gedenksteine erinnern an Deserteure
Unter den nun Gewürdigten ist auch Georg Kössner, einer der Deserteure aus Goldegg. Im Stadtgebiet sind bereits 493 Stolpersteine verlegt.
SALZBURG-STADT. Zwei Monate vor Kriegsende, am 8. März 1945, wurde der Pongauer Trogbauer Georg „Schorsch“Kössner aus Goldeggweng um 16.43 Uhr auf dem Militärschießplatz in Glanegg von einem 30 Mann starken „Vollzugskommando“hingerichtet. Er war 25 Jahre alt. Am Tag vor der Exekution hatte seine Frau Therese das vierte Kind zur Welt
gebracht. Das Kriegsgericht im Salzburger Justizgebäude hatte
Kössner zum Tod verurteilt, weil er den Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht verweigert hatte. Die Witwe und Kössners Vater stellten im befreiten Salzburg Anträge auf Opferfürsorge – vergeblich. Dieses Schicksal teilten nach dem Krieg alle Hinterbliebenen von Kriegsdienstverweigerern. Sie wurden nicht als Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich anerkannt.
Kössner ist einer jener sechs Deserteure, auf die am 2. Juli 1944
in Weng eine 1000 Mann starke SS-Todesschwadron sowie 60 Gestapo-Beamte Jagd machten.
Kössner wurde zehn Tage nach der Aktion „Sturm“verhaftet.
Acht Monate später wurden mit Kössner wegen Kriegsdienstverweigerung der 20-jährige Ernst Pickl aus Embach bei Lend und der 26-jährige Linzer Wilhelm Groiss hingerichtet und auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg
begraben – ohne Totenehrung. Die Kriegsjustiz verhinderte auch das Erscheinen von Traueranzei
gen. Im August 1945 wurde Kössners Leiche exhumiert und in Goldegg in Gegenwart seiner Familie beigesetzt.
Im Gedenken an Ernst Pickl wurde bereits 2018 vor dem Salzburger Bezirksgericht am Rudolfsplatz ein Stolperstein verlegt. Seit Dienstag erinnern vor dem Eingang zum Salzburger
Landesgericht am Kajetanerplatz zwei Stolpersteine auch an Kössner und Groiss. Insgesamt wurden dort 13 Stolpersteine für hingerichtete Wehrmachtsdeserteure im Boden versenkt. Insgesamt
gibt es somit im Stadtgebiet bereits 493 Stolpersteine. Sie werden seit 2007 im Gedenken an Opfer des NS-Terrors verlegt.
„Wer in diesem Angriffs- und Vernichtungskrieg den Kampf mit der Waffe verweigerte und somit Widerstand leistete, der
verdient es, im öffentlichen Raum namentlich gewürdigt zu
werden“, betonte Historiker Gert Kerschbaumer vom Personenkomitee Stolpersteine. Am Landesgericht seien unter dem Nazi-Regime mehr als 120 Todesurteile gefällt worden. Der Großteil der zum Tod verurteilten Deserteure sei jedoch nicht hingerichtet worden. „Die Wehrmacht hat sie wieder an die Front geschickt.“
Es sei ungemein schwierig, die Daten und Namen der Deserteure zu ermitteln, betont Kerschbaumer. Zum Schutz der Blutrichter seien die meisten Akten gegen
Kriegsende vernichtet worden. Erst kürzlich hatte Kerschbaumer erfahren, dass die Kriegsgerichte eine Meldung nach Berlin schicken mussten. Nur dadurch
gelang es, die Namen der Hingerichteten in Erfahrung zu bringen. Die Vizepräsidentin des Landesgerichts, Christine Bittner,
wohnte der Zeremonie bei. „Es darf nicht vergessen werden, dass das Landesgericht von 1939 bis 1945 ein Tatort war“, betonte sie.
Mit der Kamera hielt Filmemacherin Gabriele Hochleitner die
Verlegung der Stolpersteine fest. Sie hat nach „Zwa traurige Buam“(2006) und „In der Kurve“(2014) soeben mit „Trog“ihren dritten
Film über die damaligen Ereignisse in Goldegg und über ihre Familiengeschichte fertiggestellt. Damit will sie das Schweigen und die Sprachlosigkeit über das Geschehene durchbrechen. Ihre Onkel Alois und Simon waren
beim „Sturm“am 2. Juli 1944 von der Gestapo ermordet worden. Die Filmemacherin ist auch entfernt mit Georg Kössner verwandt. „Seine Frau hat in zweiter Ehe meinen Onkel geheiratet, sie
hatten zehn Kinder.“Hochleitners Cousinen und Cousins kommen in dem Film zu Wort. Hochleitner hat die Opferfürsorgeakte ihrer Tante eingesehen. „Es ist erschütternd, dass sie erst nach Jahrzehnten den Opferausweis
bekommen hat.“Sie sei mit 56 Jahren verstorben. Vor seiner Hinrichtung habe „Schorsch“mit einer Notiz an der Wand der Gefängniszelle seiner Verzweiflung Ausdruck verliehen.
Auch Brigitte Höfert nahm an der Verlegung teil. Sie ist die
Tochter von Karl Rupitsch, dem damaligen Anführer der Deserteure in Goldegg. Er wurde in Mauthausen erhängt. Mehrere Frauen aus dem Unterstützerkreis wurden in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Der Gedenkstein für die Deserteure, den Höfert initiiert hat,
durfte nicht auf öffentlichem Grund verlegt werden. Er befindet sich auf Grund der GKK.
Vizepräsidentin