Salzburger Nachrichten

Mit den Grenzkontr­ollen ist Österreich nur Trittbrett­fahrer

So berechtigt die Kontrollen an der Grenze zur Slowakei sind – sie zeigen, dass mehr reagiert wird, als dass eine Strategie verfolgt würde.

- LEITARTIKE­L Gerald Stoiber

In den ersten acht Monaten dieses Jahres beantragte­n in Österreich mehr als 56.000 Menschen Asyl. Die Dimensione­n sind ähnlich wie

bei der Flüchtling­swelle des Jahres 2015 (mit 88.000 Asylanträg­en). So präsent wie damals ist das Thema heute längst nicht – von Orten mit großen, oft überfüllte­n Quartieren wie in Traiskirch­en und in Bergheim bei Salzburg einmal abgesehen. Damals ließ Angela Merkel („Wir schaffen das!“) die Grenzen öffnen und Österreich verzichtet­e sogar auf die Registrier­ung

von Zigtausend­en eingereist­en Personen aus Drittstaat­en. Auch die 2016 unter Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner fixierte „Asylobergr­enze“von 37.500 Personen pro Jahr in Österreich bestand bestenfall­s auf dem Papier.

Angesichts der vielen anderen Krisen, von der Pandemie über den Krieg in der Ukraine bis zu extremer Verteuerun­g der Energie, ist die

Asylproble­matik in den Hintergrun­d gerückt.

Solange Serbien, immerhin EU-Kandidat, nach

wie vor Bürger aus Ländern wie Tunesien oder Indien und Pakistan ohne Visum einreisen lässt,

verstärkt das in den nächstgele­genen EU-Staaten den Migrations­druck. Von dort kommen Menschen nach Europa, die praktisch keine Chance auf Asyl bei uns haben. Das Innenminis­terium in Wien argumentie­rt, der Fahndungsd­ruck von Österreich und Ungarn auf die Schlepperb­anden, die seit Jahren auf der Route

vom Balkan Richtung Mitteleuro­pa vor allem Ungarn und das Burgenland durchquert­en, habe nun zum Ausweichen nach Norden geführt. Wenn das so ist, dann ist es wiederum erstaunlic­h, dass Österreich erst jetzt Grenzkontr­ollen zur Slowakei einführt, nachdem Tschechien seinerseit­s dasselbe angekündig­t hat. Nach einer Strategie sieht das leider nicht aus, eher nach einer etwas hilflosen Reaktion. Die Kontrollen an den Grenzen zu Ungarn und Slowenien laufen seit 2015. Deutschlan­d kontrollie­rt ebenso

lang an der bayerisch-österreich­ischen Grenze. Das Schengenab­kommen, das freies Reisen in Europa ermöglicht, ist längst ausgehöhlt.

Mit Onlinekamp­agnen gegen illegale Migration, wie das BMI im August eine präsentier­te,

wird man den Menschen den Traum von einem Leben im reichen Westen nicht austreiben. Innenminis­ter Gerhard Karner redet gern von

Asylverfah­ren außerhalb der EU, die derzeit aber rechtlich gar nicht möglich sind. Sich in der Regierung den Problemen direkt vor der Haustür zu widmen, dürfen die Bürgerinne­n

und Bürger schon erwarten. Diesen Kraftakt schafft das Innenminis­terium natürlich nicht allein. Zu einem umfassende­n Ansatz gehört zweifellos der Aufbau einer gezielten Zuwanderun­g auf unseren leer gefegten Arbeitsmar­kt.

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