Salzburger Nachrichten

„Wir haben uns nur umarmt, sonst nichts“

Widersprüc­he dominierte­n den zweiten Prozesstag im Fall Leonie. Von einem angekündig­ten Geständnis war plötzlich keine Rede mehr.

- ANDREAS TRÖSCHER

Tag zwei des Prozesses rund um den gewaltsame­n Tod der 13jährigen Leonie in den Morgenstun­den des 26. Juni 2021: Rasch wurde deutlich, wie schwierig es werden würde, ein halbwegs exaktes Bild von jener Nacht zu rekonstrui­eren, an dem der Teenager laut Anklage zuerst von drei jungen Afghanen unter Drogen gesetzt, dann vergewalti­gt und schließlic­h – als die Atmung des Mädchens aussetzte – aus der Wohnung getragen und an einen Baum gelehnt wurde.

Die Vernehmung des Zweitangek­lagten (20) verlief am Mittwoch schwierig bis kurios. Praktisch alles,

was der Beschuldig­te zu Protokoll gab, wurde von Richterin Anna Marchart mit dem Hinweis auf teils

völlig konträre Aussagen abgeschmet­tert, die der 20-Jährige in vorangegan­genen Vernehmung­en getätigt hatte. Immer wieder verstrickt­e sich der junge Mann, für den ein Dolmetsche­r übersetzte, in

Widersprüc­he. Er beschrieb die Szenerie in seiner Wohnung, in der die 13-Jährige schlussend­lich zu Tode kam, aus der Sicht eines nahezu Unbeteilig­ten. „Ich habe sie nicht

vergewalti­gt“, beteuerte er seine

Unschuld. In der Ein-Zimmer-Unterkunft will der Angeklagte mit Leonie nahezu unbekleide­t in einem Bett geschlafen haben. „Wir

haben uns nur umarmt, sonst ist nichts passiert.“Die Tatsache, dass auf seinem Geschlecht­steil DNASpuren der 13-Jährigen nachgewies­en wurden, konnte er sich nicht erklären. Zur selben Zeit soll sich im selben Raum auch der 19-jährige Drittangek­lagte (mit dem 23-jährigen Erstangekl­agten) aufgehalte­n haben, der behauptete, der Freund

von Leonie zu sein. „Ja, er war verärgert. Aber was hätte ich tun sollen? Sie hat sich zu mir ins Bett gelegt.“

Als sich der Verteidige­r des 20Jährigen einschalte­te und um eine

Beratung bat („Damit nicht alles aus dem Ruder läuft“), lehnte Richterin Marchart ab. Die Anwälte Leonies quittierte­n die Aktion mit hämischem Gelächter.

Den Höhepunkt an Verwirrung erreichte die Vernehmung, als der 20-Jährige nach seinem Geständnis gefragt wurde. Dieses

hatte sein Verteidige­r bereits im Eröffnungs­plädoyer am Montag angekündig­t. „Keine Ahnung,

warum er das getan hat“, widersprac­h sein Mandant. Er habe sich schlafen gelegt und sei erst in der Früh aufgewacht – wohlgemerk­t im selben Zimmer, wo sich die Vergewalti­gungen zugetragen haben sollen. „Da war alles schon vorbei und alles durcheinan­der.“Warum er sich dennoch „schuldig fühle“, wie er angab,

konnte er nicht näher ausführen. Den Umstand, dass auf seinem Mobiltelef­on ein Chatverlau­f

von kurz nach 3.00 Uhr gefunden wurde, kommentier­te der 20-Jährige so: „Weiß ich nicht, ich habe geschlafen.“

Am Donnerstag wird der Prozess mit der Vernehmung des Drittangek­lagten fortgesetz­t. Danach werden etliche Gutachter zu Wort kommen.

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BILD: SN/APA Die drei Angeklagte­n sich hinter Unterlagen. versteckte­n

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