„Wir haben uns nur umarmt, sonst nichts“
Widersprüche dominierten den zweiten Prozesstag im Fall Leonie. Von einem angekündigten Geständnis war plötzlich keine Rede mehr.
Tag zwei des Prozesses rund um den gewaltsamen Tod der 13jährigen Leonie in den Morgenstunden des 26. Juni 2021: Rasch wurde deutlich, wie schwierig es werden würde, ein halbwegs exaktes Bild von jener Nacht zu rekonstruieren, an dem der Teenager laut Anklage zuerst von drei jungen Afghanen unter Drogen gesetzt, dann vergewaltigt und schließlich – als die Atmung des Mädchens aussetzte – aus der Wohnung getragen und an einen Baum gelehnt wurde.
Die Vernehmung des Zweitangeklagten (20) verlief am Mittwoch schwierig bis kurios. Praktisch alles,
was der Beschuldigte zu Protokoll gab, wurde von Richterin Anna Marchart mit dem Hinweis auf teils
völlig konträre Aussagen abgeschmettert, die der 20-Jährige in vorangegangenen Vernehmungen getätigt hatte. Immer wieder verstrickte sich der junge Mann, für den ein Dolmetscher übersetzte, in
Widersprüche. Er beschrieb die Szenerie in seiner Wohnung, in der die 13-Jährige schlussendlich zu Tode kam, aus der Sicht eines nahezu Unbeteiligten. „Ich habe sie nicht
vergewaltigt“, beteuerte er seine
Unschuld. In der Ein-Zimmer-Unterkunft will der Angeklagte mit Leonie nahezu unbekleidet in einem Bett geschlafen haben. „Wir
haben uns nur umarmt, sonst ist nichts passiert.“Die Tatsache, dass auf seinem Geschlechtsteil DNASpuren der 13-Jährigen nachgewiesen wurden, konnte er sich nicht erklären. Zur selben Zeit soll sich im selben Raum auch der 19-jährige Drittangeklagte (mit dem 23-jährigen Erstangeklagten) aufgehalten haben, der behauptete, der Freund
von Leonie zu sein. „Ja, er war verärgert. Aber was hätte ich tun sollen? Sie hat sich zu mir ins Bett gelegt.“
Als sich der Verteidiger des 20Jährigen einschaltete und um eine
Beratung bat („Damit nicht alles aus dem Ruder läuft“), lehnte Richterin Marchart ab. Die Anwälte Leonies quittierten die Aktion mit hämischem Gelächter.
Den Höhepunkt an Verwirrung erreichte die Vernehmung, als der 20-Jährige nach seinem Geständnis gefragt wurde. Dieses
hatte sein Verteidiger bereits im Eröffnungsplädoyer am Montag angekündigt. „Keine Ahnung,
warum er das getan hat“, widersprach sein Mandant. Er habe sich schlafen gelegt und sei erst in der Früh aufgewacht – wohlgemerkt im selben Zimmer, wo sich die Vergewaltigungen zugetragen haben sollen. „Da war alles schon vorbei und alles durcheinander.“Warum er sich dennoch „schuldig fühle“, wie er angab,
konnte er nicht näher ausführen. Den Umstand, dass auf seinem Mobiltelefon ein Chatverlauf
von kurz nach 3.00 Uhr gefunden wurde, kommentierte der 20-Jährige so: „Weiß ich nicht, ich habe geschlafen.“
Am Donnerstag wird der Prozess mit der Vernehmung des Drittangeklagten fortgesetzt. Danach werden etliche Gutachter zu Wort kommen.