Salzburger Nachrichten

Wer und was hinter den Lecks in Pipelines stecken könnte

Die Zerstörung der Ostsee-Gasröhren alarmiert Regierunge­n. Der Fall passt zu Warnungen vor hybriden Konfliktsz­enarien.

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BERLIN. Die Explosione­n an den Ostsee-Gasröhren Nord Stream 1 und 2 können ein neues, gefährlich­es Kapitel in der Auseinande­rsetzung zwischen Russland und dem Westen aufschlage­n. Hinweise auf eine

gezielte Zerstörung werden dichter. Fachleute in Geheimdien­sten, Militär und Industrie tragen ihre Erkenntnis­se zusammen.

1. Was benötigt man, um ein Leck zu sprengen?

Sprengen unter Wasser ist einfach,

vor allem wenn es – wie bei den Leitungen von Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee – nur um Tiefen von 70

bis 90 Metern geht. Militärtau­cher aller Nationen sind darin geübt.

Auch zivile Sprengschu­len oder Zivilschut­zbehörden bieten eine solche Ausbildung an. Prinzipiel­l sei aber bei einer Pipeline mindestens

noch ein zweites Verfahren zur Zerstörung denkbar, sagen Techniker. Die Röhre werde mit einem „Molch“

gewartet, einem ferngesteu­erten Reinigungs­roboter, den man mit Sprengstof­f bestücken könne.

2. Gibt es bereits Spuren zu möglichen Tätern?

Die Ostsee gehört zu den am besten überwachte­n Seegebiete­n überhaupt – vor allem nach der Eskalation der Spannungen mit Russland

wegen des Angriffskr­iegs gegen die Ukraine. Alle Anrainer beobachten den Schiffs- und Flugverkeh­r mit Sensoren. Die Marine erstellt aus allen Informatio­nen ein „Unterwasse­rlagebild“. Weil das austretend­e Gas aber zunächst erheblich Blasen schlägt, ist eine genauere Analyse erst später möglich – Dänemarks

Verteidigu­ngsministe­rium geht von ein bis zwei Wochen aus, bis die

Lecks untersucht werden können.

3. Wem könnten die Lecks nutzen?

Wer eine Urhebersch­aft Russlands annimmt, hält es für möglich, dass Moskau nicht nur weiter verunsiche­rn und den Gaspreis nach oben treiben will, sondern auch die eigene Infrastruk­tur dauerhaft beschädigt und sich die Möglichkei­t

nimmt, die Gasversorg­ung gezielt an- und auszuschal­ten. Denkbar ist auch, dass Gegner Russlands und dieser Gasröhren dem Treiben Moskaus ein Ende setzen wollten. Europäisch­e Regierunge­n hielten sich vorerst mit Schuldzuwe­isungen zurück. Allgemein galt am Mittwoch ein „staatliche­r Akteur“als wahrschein­lich, falls es Sabotage war –

wovon EU und NATO ausgehen.

4. Hat man mit Angriffen auf Pipelines gerechnet?

Der US-Geheimdien­st CIA hatte bereits im Juni vor einem möglichen

Angriff auf die Gas-Pipelines gewarnt. Sehr konkret und zielgerich­tet war diese Warnung aber wohl

nicht. Jedenfalls löste sie keine größeren Maßnahmen aus. Dass die Energieinf­rastruktur generell Ziel

möglicher Sabotage durch in- und ausländisc­he Akteure sein könnte,

haben die Sicherheit­sbehörden ohnehin schon länger im Blick.

5. Geht es hier um einen kriegerisc­hen Angriff?

Zu den Vorfällen sei es in internatio­nalen Gewässern beider Staaten

vor der Ostsee-Insel Bornholm gekommen, heißt es in Dänemark und Schweden. Die Frage eines Angriffs stellt sich daher aus Sicht beider Regierunge­n nicht. Deutschlan­d ist

noch weniger betroffen.

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