Salzburger Nachrichten

Mit Essen die Welt retten?

Fast jeder Vierte in Österreich isst zumindest ein Mal in der Woche rein vegan. Fleischers­atz wurde zum Millioneng­eschäft. Doch nicht für alle: Nach Hermann Fleischlos zieht Rebel Meat die Bremse.

- REGINA REITSAMER

SALZBURG. Schmecken mag es nicht jedem, spätestens dann aber, wenn

beim Münchner Oktoberfes­t auch vegane Weißwurst zur Maß aufgetisch­t wird, ist klar: Veganes Essen ist in der Breite angekommen. Fast jeder Vierte in Österreich (22%)

kocht mindestens ein Mal pro Woche rein vegan, weit mehr als die

Hälfte (60%) setzt zumindest ein Mal wöchentlic­h auf vegetarisc­hes

Essen – kommt also ohne Fleisch aus, während Milchprodu­kte und

teils auch Eier und Fisch auf dem Speiseplan stehen dürfen. Das ergibt eine Marketagen­t-Umfrage unter 500 Teilnehmer­n über 14 Jahren im Auftrag von Spar. Acht Prozent der Österreich­erinnen und Österreich­er verzichten demnach in ihrer Ernährung gänzlich auf Fleisch. 1,8 Prozent ernähren sich rein vegan.

Noch deutlich höher ist der Anteil jener, die den Fleischkon­sum reduzieren wollen. Entspreche­nd rasant schnellen die Umsatzzahl­en in die Höhe. Im pflanzenba­sierten Sortiment verzeichne­te man zuletzt jährlich Zuwächse zwischen 15 und 20 Prozent, heißt es bei Spar. Ein Plus von im Vorjahr 17 Prozent

bei Veggie-Produkten meldet auch der Diskonter Lidl. Billa eröffnete

Anfang September in der Mariahilfe­r Straße „Pflanzilla“, den ersten Markt mit nur pflanzlich­en Produkten. Exakte Marktdaten sind schwer zu ermitteln, je nachdem, was alles

in das Segment der vegetarisc­hen oder veganen Ernährung eingerechn­et wird. Allein der Markt an

pflanzlich basierten Ersatzprod­ukten für Fleisch und Milch legte laut Nielsen-Daten 2020 um 40 Prozent auf 82 Mill. Euro zu.

Der Boom allerdings hat nicht nur Gewinner. Schon Ende März stellte der heimische LeberkäseM­arktführer Neuburger seine Veggie-Linie Hermann Fleischlos ein.

Vorübergeh­end, wie man betonte, weil es angesichts rasant steigender Preise unmöglich sei, „die Produkte

in gewohnt hoher Qualität zu akzeptable­n Preisen“anzubieten. Zur Zukunft des Unternehme­ns, in das man über 30 Mill. Euro investiert

hat und das ausschließ­lich auf natürliche Zutaten und Pilze setzte,

will Firmenchef Hermann Neuburger vorerst keine Auskunft geben.

Jetzt zieht mit Rebel Meat auch ein zweites heimisches Unternehme­n die Bremse an. Das Wiener Start-up, das statt auf gänzlichen Fleischver­zicht auf halb Biofleisch

und die andere Hälfte Gemüse setzt, wird künftig nur noch Kinderprod­ukte anbieten, sagt Marketingl­eiterin

Alexandra Mayr. Mit Burgerpatt­ys, Würstel und Faschierte­m im Frischereg­al konnte man nicht durchstart­en wie geplant. „Bei Kinderprod­ukten ist es leichter zu argumentie­ren, dass eine Extraporti­on Gemüse statt zu viel Fleisch gesünder ist“, sagt Mayr. Angeboten

werden Fleischbäl­lchen und Nuggets mit 50 Prozent Gemüseante­il nur noch tiefgekühl­t, auch die Burgerpatt­ys für die Gastronomi­e werde man so weiter anbieten.

Dass sich hochpreisi­ge Produkte mit natürliche­n Zutaten im Preiskampf zuletzt schwerer durchsetze­n, glaubt Felix Hnat, Chef der Veganen Gesellscha­ft Österreich, dennoch nicht. „Es gibt fragliche Beispiele

wie Beyond Meat, die sicher nicht nur auf regionale Zutaten, sondern auf viele Zusatzstof­fe setzen, die große Masse

der heimischen Anbieter ist das aber nicht.“

Aus gesundheit­lichen Aspekten sei ganz klar eine flexitaris­che Ernährung mit wenig Fleisch, dafür aber saisonalen,

regionalen Alternativ­en das Modell der Zukunft, sagt Maria Benedikt, ehemalige Chef-Diätologin an den Salzburger Landesklin­iken.

„Die Jackfruit kommt nicht nur aus den Tropen, sie hat auch kein Eiweiß.“Maria Benedikt, Diätologin

Wichtig seien gute Eiweißquel­len, ob durch die Kombinatio­n aus Kartoffeln und Ei, Getreide und Milchprodu­kten oder durch Hülsenfrüc­hte wie

heimische Linsen, Bohnen, Erbsen oder Soja, und dazu hochwertig­e Fette. „Wer sich rein vegan ernähren will, muss sich jedenfalls mit dem Thema auseinande­rsetzen“, betont Benedikt. Die oft als Fleischers­atz gelobte Jackfruit etwa werde nicht nur

wenig klimafreun­dlich aus den Tropen importiert, sie habe auch

kein Eiweiß. „Und warum brauche ich Reis- und Mandeldrin­ks,

wenn es Hafer und Soja in Österreich gibt.“

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BILD: SN/SONYAKAMOZ - STOCK.ADOBE.COM Vegan und vegetarisc­h wird öfter gegessen.

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