Salzburger Nachrichten

Lasst Licht ins Dunkel der künstliche­n Intelligen­z

- Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der Kreativwir­tschaft Austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Man stelle sich vor, ein Auto, das

mit künstliche­r Intelligen­z (KI) gesteuert wird, kracht in ein anderes

Auto. Im Spital wird die Gewebeprob­e eines automatisi­erten Systems falsch ausgewerte­t, der Arzt stellt daraufhin die falsche Diagnose und verordnet unnötigerw­eise eine Chemothera­pie. Eine Frau bekommt eine Stelle nicht, für die sie bestens qualifizie­rt wäre, weil die Videoanaly­se im Bewerbungs­verfahren sie als „persönlich unzuverläs­sig“qualifizie­rt.

Was passiert, wenn künstliche Intelligen­z nicht so gescheit ist,

wie der Name suggeriert, sondern Mist baut? Die drei Beispiele sind

keineswegs an den Haaren herbeigezo­gen: Lernende Maschinen werden schon jetzt in immer mehr

Alltagsber­eichen eingesetzt, ohne dass ein Schild darüber informiert, dass KI im Spiel ist. Bisher konnten sich Menschen, die den Verdacht hatten, dadurch zu Schaden gekommen zu sein, jedoch kaum

wehren: Wie sollten sie nachweisen, dass die Maschine fehlerhaft gearbeitet hat, wo doch gar nicht

klar ist, was diese tut? Eine Grundeigen­schaft von selbstlern­enden Systemen ist nämlich, dass ihre Funktionsw­eise unklar ist. Oft handelt es sich um sogenannte Black Boxes. Damit greift die Produkthaf­tung nicht, geschädigt­e Menschen gehen leer aus.

Genau deshalb plant die EUKommissi­on nun einen Schritt, der den Umgang mit KI in Europa und in Folge auch in anderen Teilen der Welt grundlegen­d ändern könnte: Nach dem Entwurf zum

AI Act, mit dem generell der Umgang mit KI in Europa erstmals geregelt werden soll, will die EUKommissi­on nun auch die Produkthaf­tung anpassen: Menschen, die glauben, durch KI zu Schaden

gekommen zu sein, sollen von Hersteller­n eine Offenlegun­g von Daten und Prozessen verlangen können. Zum Beispiel sollen möglicherw­eise Geschädigt­e Einsicht in Datensätze bekommen können, mit denen die KI trainiert wurde,

und die Offenlegun­g technische­r Dokumentat­ionen anfordern und notfalls einklagen können, sofern

keine Geschäftsg­eheimnisse verraten werden.

Das ist eine Revolution, da weder eine saubere Dokumentat­ion

noch ein anderes einheitlic­hes Qualitätsm­anagement in der KIWelt üblich ist. Häufig herrscht das Motto: Alles ist möglich, ein

bisschen wie seinerzeit bei den Goldgräber­n. Nun wird über die

Produkthaf­tung ein anderer Stil eingeführt, weil es im Schadensfa­ll eine Verpflicht­ung zu Transparen­z und Qualitätss­icherung gibt. Somit wird sich die KI-Entwicklun­g in Unternehme­n und in der

Wissenscha­ft verändern müssen. Das mag nicht allen gelegen kommen. Für das Vertrauen der Bevölkerun­g in eine mächtige Alltagstec­hnologie ist dieser Schritt jedoch unverzicht­bar.

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