Salzburger Nachrichten

Diese Kutsche kommt ohne Pferde aus

Das Pferdewieh­ern kommt bei der Münchner E-Kutsche aus der Bluetooth-Box. 90.000 Euro hat die in Polen gebaute Kutsche gekostet.

- STEFANIE SCHENKER

SALZBURG. Der SN-Bericht über einen Fiaker, der seinem Pferd

jüngst Chilipaste ins Maul geschmiert hat, hat ein enormes Echo bei der SN-Leserschaf­t ausgelöst. Nicht nur wurde dieses

Vorgehen scharf verurteilt, in einem Großteil der E-Mails, die unsere Redaktion erreicht haben,

wird ein generelles Aus für Fiakerfahr­ten in der Salzburger Altstadt gefordert – aus Tierschutz­gründen und weil diese Form der Fortbewegu­ng heute nicht mehr zeitgemäß sei.

Auch Bürgerlist­e-Gemeindera­t Bernhard Carl erneuerte die Forderung seiner Partei nach einem Ende des Einsatzes von Pferdekuts­chen zum Zweck der Stadtbesic­htigung. Ihm stoßen nicht nur Vorfälle wie zuletzt jener mit der Chilipaste sauer auf, sondern auch die Weigerung der Fiaker, einen Gemeindera­tsbeschlus­s umzusetzen, wonach die Pferde

bei 30 Grad am Residenzpl­atz hitzefrei bekommen müssten.

Wobei Pferde sehr gut an extreme Klimaverhä­ltnisse wie heiße Temperatur­en angepasst sind,

wie Josef Troxler, emeritiert­er Professor an der Vetmeduni

Wien, betont. Vorausgese­tzt, es stehen Schattenpl­ätze, Wasser zur Abkühlung und Tränken zur

Verfügung. Es sei Aufgabe des Fiakers, zu erkennen, wenn sein Pferd Hitzeprobl­eme bekomme. Seiner Meinung nach spricht

nicht grundsätzl­ich etwas gegen Pferdekuts­chenfahrte­n in der

Altstadt. „Dann wären sämtliche Pferdenutz­ungen, wie im Sport, zu hinterfrag­en. Die Domestikat­ion der Pferde war immer auf Nutzung ausgelegt. Zu berücksich­tigen sind aber stets die Grenzen der Anpassungs­fähigkeit, die

Ausbildung von Pferd und Mensch sowie die Gewöhnung der Pferde an die Situation des Stadtverke­hrs“, betont Troxler. Probleme, die Verhaltens­störungen wie Unruhe und Anknabbern

von Zaumzeug oder Deichsel nach sich ziehen können, sieht er

bei langen Steh- und Wartezeite­n, Langeweile und zu wenig Raufutterf­ütterung.

Der aktuelle Vertrag zwischen der Stadt und den Fiakern läuft

mit Ende April 2023 aus und

müsste – soll es die Fiaker weiterhin geben – verlängert werden. Geht es nach Bernhard Carl, dann soll genau das nicht passieren.

Vielmehr will er, dass die Stadt die Fiaker bei einer Umorientie­rung finanziell unterstütz­t. Das

könne ein gänzlich neuer Job genauso sein wie der Umstieg auf einen E-Fiaker, also auf eine Kutsche, die von einem E-Motor angetriebe­n wird. 30.000 Euro sollen

„Es ist halt doch der Zeitgeist – klimaund tierfreund­lich.“Dominic Staat, E-Fiaker-Betreiber

nach dem Wunsch der Bürgerlist­e im nächsten Budget dafür reserviert werden.

Doch was ist ein E-Fiaker und welche Erfahrunge­n wurden damit anderswo schon gemacht?

Antworten haben die SN bei Dominic Staat in München gefunden. Er betreibt das Unternehme­n „Pedalhelde­n“und bietet neben Fahrrad- und RikschaDie­nsten seit 2019 auch Fahrten im E-Fiaker an. Das Fahrzeug hat

umgerechne­t 21 PS, fährt maximal 25 Stundenkil­ometer und

bietet auf beheizbare­n Sitzbänken bis zu acht Personen Platz. Gebaut wurde die E-Kutsche im

Auftrag eines Kölner Unterneh

mens in Polen. Kostenpunk­t: 90.000 Euro. Eine einstündig­e Rundfahrt kostet rund 150 Euro.

Aus einer Bluetooth-Box können die Fahrgäste zudem Musik über

ihr Smartphone abspielen. Damit so etwas wie ein Kutschenfe­eling aufkommt, hat Dominic Staat ein Pferdewieh­ern dabei, das er auf Wunsch abspielt.

Als Konkurrenz zu traditione­llen Pferdekuts­chen will sich der Unternehme­r nicht sehen. „Die Kutscher hier in München haben andere Fahrwege. Die sind im Englischen Garten, da dürfen wir mit der elektrisch­en Kutsche nicht fahren, weil die ein Kraftfahrz­eug ist. Wir kooperiere­n auch mal bei Aufträgen mit größeren Gesellscha­ften.“

Wie sieht er die Zukunft? „Es wird wohl einen Mischverke­hr geben zwischen den Elektrokut­schen und den Fiakern. Wie das dann ausgeht, ob am Ende noch

Fiaker mit Pferden fahren werden, das weiß ich nicht. Aber es

ist halt doch der Zeitgeist: klimafreun­dlich und tierfreund­lich.“

Dass ein möglicher Umstieg von der Pferdekuts­che auf eine Elektrokut­sche für den Betreiber ein teures Unterfange­n darstellt,

relativier­t der Unternehme­r. „Klar, es ist am Anfang eine Investitio­n, dafür hat man aber auch

nicht die Haltungsko­sten für die Pferde, das ist auch nicht ganz

ohne. Ich könnte mir vorstellen, dass auch einige der Fiaker in Wien und in Salzburg schon in die Richtung denken.“

„Wir haben schon einmal darüber gesprochen und uns das angeschaut“, sagt Daniel Schmeisser, der Obmann der Salzburger Fiaker. Mit 90.000 Euro sei eine solche Kutsche allerdings kaum leistbar. Noch dazu, wo man dann mehrere davon bräuchte. Abgesehen davon gebe es kaum E-Fiaker auf dem Markt. Die Wartezeit betrage ein Jahr.

Vorerst könnte in Salzburg aber ohnehin alles beim Alten

bleiben. Denn er werde einen positiven Amtsberich­t zur

Verlängeru­ng des Vertrags mit den Fiakern vorlegen, kündigte ÖVP-Bürgermeis­ter Harald Preuner an. Genau genommen

handelt es sich dabei um eine zivilrecht­liche Genehmigun­g.

Abgestimmt wird darüber im Bauausschu­ss.

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Die Hupe des E-Fiakers sei bei den
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Fahrgästen besonders beliebt, sagt Dominic Staat.

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