Diese Kutsche kommt ohne Pferde aus
Das Pferdewiehern kommt bei der Münchner E-Kutsche aus der Bluetooth-Box. 90.000 Euro hat die in Polen gebaute Kutsche gekostet.
SALZBURG. Der SN-Bericht über einen Fiaker, der seinem Pferd
jüngst Chilipaste ins Maul geschmiert hat, hat ein enormes Echo bei der SN-Leserschaft ausgelöst. Nicht nur wurde dieses
Vorgehen scharf verurteilt, in einem Großteil der E-Mails, die unsere Redaktion erreicht haben,
wird ein generelles Aus für Fiakerfahrten in der Salzburger Altstadt gefordert – aus Tierschutzgründen und weil diese Form der Fortbewegung heute nicht mehr zeitgemäß sei.
Auch Bürgerliste-Gemeinderat Bernhard Carl erneuerte die Forderung seiner Partei nach einem Ende des Einsatzes von Pferdekutschen zum Zweck der Stadtbesichtigung. Ihm stoßen nicht nur Vorfälle wie zuletzt jener mit der Chilipaste sauer auf, sondern auch die Weigerung der Fiaker, einen Gemeinderatsbeschluss umzusetzen, wonach die Pferde
bei 30 Grad am Residenzplatz hitzefrei bekommen müssten.
Wobei Pferde sehr gut an extreme Klimaverhältnisse wie heiße Temperaturen angepasst sind,
wie Josef Troxler, emeritierter Professor an der Vetmeduni
Wien, betont. Vorausgesetzt, es stehen Schattenplätze, Wasser zur Abkühlung und Tränken zur
Verfügung. Es sei Aufgabe des Fiakers, zu erkennen, wenn sein Pferd Hitzeprobleme bekomme. Seiner Meinung nach spricht
nicht grundsätzlich etwas gegen Pferdekutschenfahrten in der
Altstadt. „Dann wären sämtliche Pferdenutzungen, wie im Sport, zu hinterfragen. Die Domestikation der Pferde war immer auf Nutzung ausgelegt. Zu berücksichtigen sind aber stets die Grenzen der Anpassungsfähigkeit, die
Ausbildung von Pferd und Mensch sowie die Gewöhnung der Pferde an die Situation des Stadtverkehrs“, betont Troxler. Probleme, die Verhaltensstörungen wie Unruhe und Anknabbern
von Zaumzeug oder Deichsel nach sich ziehen können, sieht er
bei langen Steh- und Wartezeiten, Langeweile und zu wenig Raufutterfütterung.
Der aktuelle Vertrag zwischen der Stadt und den Fiakern läuft
mit Ende April 2023 aus und
müsste – soll es die Fiaker weiterhin geben – verlängert werden. Geht es nach Bernhard Carl, dann soll genau das nicht passieren.
Vielmehr will er, dass die Stadt die Fiaker bei einer Umorientierung finanziell unterstützt. Das
könne ein gänzlich neuer Job genauso sein wie der Umstieg auf einen E-Fiaker, also auf eine Kutsche, die von einem E-Motor angetrieben wird. 30.000 Euro sollen
„Es ist halt doch der Zeitgeist – klimaund tierfreundlich.“Dominic Staat, E-Fiaker-Betreiber
nach dem Wunsch der Bürgerliste im nächsten Budget dafür reserviert werden.
Doch was ist ein E-Fiaker und welche Erfahrungen wurden damit anderswo schon gemacht?
Antworten haben die SN bei Dominic Staat in München gefunden. Er betreibt das Unternehmen „Pedalhelden“und bietet neben Fahrrad- und RikschaDiensten seit 2019 auch Fahrten im E-Fiaker an. Das Fahrzeug hat
umgerechnet 21 PS, fährt maximal 25 Stundenkilometer und
bietet auf beheizbaren Sitzbänken bis zu acht Personen Platz. Gebaut wurde die E-Kutsche im
Auftrag eines Kölner Unterneh
mens in Polen. Kostenpunkt: 90.000 Euro. Eine einstündige Rundfahrt kostet rund 150 Euro.
Aus einer Bluetooth-Box können die Fahrgäste zudem Musik über
ihr Smartphone abspielen. Damit so etwas wie ein Kutschenfeeling aufkommt, hat Dominic Staat ein Pferdewiehern dabei, das er auf Wunsch abspielt.
Als Konkurrenz zu traditionellen Pferdekutschen will sich der Unternehmer nicht sehen. „Die Kutscher hier in München haben andere Fahrwege. Die sind im Englischen Garten, da dürfen wir mit der elektrischen Kutsche nicht fahren, weil die ein Kraftfahrzeug ist. Wir kooperieren auch mal bei Aufträgen mit größeren Gesellschaften.“
Wie sieht er die Zukunft? „Es wird wohl einen Mischverkehr geben zwischen den Elektrokutschen und den Fiakern. Wie das dann ausgeht, ob am Ende noch
Fiaker mit Pferden fahren werden, das weiß ich nicht. Aber es
ist halt doch der Zeitgeist: klimafreundlich und tierfreundlich.“
Dass ein möglicher Umstieg von der Pferdekutsche auf eine Elektrokutsche für den Betreiber ein teures Unterfangen darstellt,
relativiert der Unternehmer. „Klar, es ist am Anfang eine Investition, dafür hat man aber auch
nicht die Haltungskosten für die Pferde, das ist auch nicht ganz
ohne. Ich könnte mir vorstellen, dass auch einige der Fiaker in Wien und in Salzburg schon in die Richtung denken.“
„Wir haben schon einmal darüber gesprochen und uns das angeschaut“, sagt Daniel Schmeisser, der Obmann der Salzburger Fiaker. Mit 90.000 Euro sei eine solche Kutsche allerdings kaum leistbar. Noch dazu, wo man dann mehrere davon bräuchte. Abgesehen davon gebe es kaum E-Fiaker auf dem Markt. Die Wartezeit betrage ein Jahr.
Vorerst könnte in Salzburg aber ohnehin alles beim Alten
bleiben. Denn er werde einen positiven Amtsbericht zur
Verlängerung des Vertrags mit den Fiakern vorlegen, kündigte ÖVP-Bürgermeister Harald Preuner an. Genau genommen
handelt es sich dabei um eine zivilrechtliche Genehmigung.
Abgestimmt wird darüber im Bauausschuss.