Vom dünnen Zeitpolster in der Pflege
Es braucht umfassende Zusammenarbeit, ausreichend Geld und neue Ideen.
Heinrich Schellhorn ist nach den Vorfällen um das Sozialzentrum Lehen als politisch Verantwortlicher zurückgetreten. Dem gebührt in einer Zeit, in der man normalerweise mit dem Mantra „Alles richtig gemacht“auf seinem Sessel klebt, Respekt.
Aber nun zu glauben, damit hätte sich im Pflegebereich irgendetwas verbessert, wäre ein fataler Irrtum. Niemand kann alleine die jahrzehntelangen Versäumnisse auch nur annähernd wettmachen. Dieses Problem ist mit den Zuständigkeiten vieler Ebenen, von Gemeinden über Länder bis zum Bund und mit dem Einfluss der Parteien und Sozialpartner so verzahnt, dass es nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung, ausreichend finanziellen Mitteln und neuen Ideen gelöst werden kann.
Die Pflege durch Angehörige nimmt durch die sich ändernden sozialen Strukturen
ständig ab und wird auch nicht hinreichend geschätzt und abgegolten. Da in meinem Elternhaus mehrere Familienmitglieder meiner Großelterngeneration gepflegt wurden, weiß ich, welche körperlichen und psychischen Belastungen das mit sich bringt.
Dass die Auslagerung (oder Abschiebung?) der Pflege an private, gewinnorientierte Betreiber kein Ersatz ist, wurde ja
nicht erst durch die Vorfälle in Lehen oder in Radstadt aufgezeigt. Der Schwachpunkt ist ganz einfach der Mangel an Personal.
Vielleicht könnten da Initiativen wie der Verein „Zeitpolster“einen Weg aufzeigen. Dort erarbeitet man sich durch freiwillige Hilfe eine Art Betreuungskonto, von dem man dann selbst Leistungen zurückbekommt, wenn man sie braucht. Das ist ein sympathischer Baustein, den großen Umbau am Pflegegebäude muss aber die Politik bewerkstelligen – und zwar rasch, bevor es zusammenkracht, denn der Zeitpolster dafür ist sehr dünn.