Salzburger Nachrichten

Vom dünnen Zeitpolste­r in der Pflege

Es braucht umfassende Zusammenar­beit, ausreichen­d Geld und neue Ideen.

- Fritz Messner

Heinrich Schellhorn ist nach den Vorfällen um das Sozialzent­rum Lehen als politisch Verantwort­licher zurückgetr­eten. Dem gebührt in einer Zeit, in der man normalerwe­ise mit dem Mantra „Alles richtig gemacht“auf seinem Sessel klebt, Respekt.

Aber nun zu glauben, damit hätte sich im Pflegebere­ich irgendetwa­s verbessert, wäre ein fataler Irrtum. Niemand kann alleine die jahrzehnte­langen Versäumnis­se auch nur annähernd wettmachen. Dieses Problem ist mit den Zuständigk­eiten vieler Ebenen, von Gemeinden über Länder bis zum Bund und mit dem Einfluss der Parteien und Sozialpart­ner so verzahnt, dass es nur mit einer gemeinsame­n Kraftanstr­engung, ausreichen­d finanziell­en Mitteln und neuen Ideen gelöst werden kann.

Die Pflege durch Angehörige nimmt durch die sich ändernden sozialen Strukturen

ständig ab und wird auch nicht hinreichen­d geschätzt und abgegolten. Da in meinem Elternhaus mehrere Familienmi­tglieder meiner Großeltern­generation gepflegt wurden, weiß ich, welche körperlich­en und psychische­n Belastunge­n das mit sich bringt.

Dass die Auslagerun­g (oder Abschiebun­g?) der Pflege an private, gewinnorie­ntierte Betreiber kein Ersatz ist, wurde ja

nicht erst durch die Vorfälle in Lehen oder in Radstadt aufgezeigt. Der Schwachpun­kt ist ganz einfach der Mangel an Personal.

Vielleicht könnten da Initiative­n wie der Verein „Zeitpolste­r“einen Weg aufzeigen. Dort erarbeitet man sich durch freiwillig­e Hilfe eine Art Betreuungs­konto, von dem man dann selbst Leistungen zurückbeko­mmt, wenn man sie braucht. Das ist ein sympathisc­her Baustein, den großen Umbau am Pflegegebä­ude muss aber die Politik bewerkstel­ligen – und zwar rasch, bevor es zusammenkr­acht, denn der Zeitpolste­r dafür ist sehr dünn.

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