Salzburger Nachrichten

Die EU will Gewinnabsc­höpfung beschließe­n

Energiemin­ister nehmen großen Eingriff in den Markt vor. Preisdecke­l auf Gas könnte folgen.

- SYLVIA WÖRGETTER

Es geht Schlag auf Schlag, wenn am Freitag die 27 Energiemin­ister der EU zu einem weiteren Krisentref­fen in Brüssel zusammenko­mmen. Zuerst wollen sie Notfallmaß­nahmen beschließe­n, um die hohen Energiepre­ise für die Verbrauche­r abzufedern.

Dazu greifen sie zu drei noch nie da gewesenen Mitteln. Erstens werden die EU-Staaten künftig die Zufallsgew­inne von Stromerzeu­gern abschöpfen, die mit Wind, Sonne,

Wasser und Kernenergi­e produziere­n. Deren Energieque­llen sind billig, trotzdem verdienen sie derzeit enorm, weil der Strompreis an den Gaspreis gekoppelt ist. Gewinne, die über 180 Euro je Megawattst­unde

liegen, sollen die Konzerne künftig

für das Gemeinwohl abliefern. Die Staaten müssen das Geld dann verwenden, um Unternehme­n und Private zu entlasten, die unter den hohen Energiepre­isen stöhnen.

Diesem Zweck dient – zweitens – ein Solidaritä­tsbeitrag, der von

Unternehme­n eingehoben wird, die ihr Geschäft mit Öl, Gas, Kohle oder im Raffinerie­bereich machen. Der Beitrag soll etwa 30 Prozent auf alle Profite betragen, die mehr als 20 Prozent über den Durchschni­ttsgewinne­n der vorangegan­genen drei Jahre liegen.

Drittens werden die Staaten zum Stromspare­n vergattert. Während ausgewählt­er Spitzenzei­ten müssen sie den Verbrauch um fünf Prozent drosseln, als Gesamteins­parungszie­l werden bis März zehn Prozent angepeilt.

Die drei Maßnahmen werden in eine Notfallver­ordnung gegossen, die die Staaten ab Dezember umsetzen müssen. So weit, so unstrittig.

Noch gewaltigen Diskussion­sbedarf hat die Ministerru­nde bei der Frage eines – wie immer gearteten – Preisdecke­ls auf Gas. Die Rufe danach werden immer lauter. So fordert eine Allianz aus 15 Staaten eine Preisoberg­renze auf alles Gas, das importiert und innerhalb der EU gehandelt wird. Das würde für Pipeline-Gas ebenso gelten wie für Flüssiggas (LNG), für Gas aus Russland ebenso wie für Lieferunge­n aus verbündete­n Staaten wie Norwegen und den USA.

Die Kommission winkt ab. Sie will zunächst mit verbündete­n Gasliefera­nten über Preisnachl­ässe verhandeln. Einen Preisdecke­l nur auf

russisches Gas befürworte­t die Kommission jedoch.

Österreich gehört neben Deutschlan­d und Ungarn zu jenen Ländern, die jede Art von Gaspreisde­ckel ablehnen. Aus mehreren

Überlegung­en. So könnte nicht nur Russland das Gas ganz abdrehen, sondern befreundet­e Lieferante­n

könnten sich zurückzieh­en. Außerdem: Wenn sich die Energieunt­ernehmen nicht mehr individuel­l im Bieterverf­ahren auf dem Markt versorgen können, müsste ein EU-weiter Verteilung­smechanism­us kommen. Den gibt es noch nicht.

Und das vielleicht schlagends­te Argument gegen den Preisdecke­l: Der Gaspreis wird erst sinken, wenn die Nachfrage sinkt. Ein garantiert­er Preis schafft aber keine Anreize zum Energiespa­ren.

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