Die EU will Gewinnabschöpfung beschließen
Energieminister nehmen großen Eingriff in den Markt vor. Preisdeckel auf Gas könnte folgen.
Es geht Schlag auf Schlag, wenn am Freitag die 27 Energieminister der EU zu einem weiteren Krisentreffen in Brüssel zusammenkommen. Zuerst wollen sie Notfallmaßnahmen beschließen, um die hohen Energiepreise für die Verbraucher abzufedern.
Dazu greifen sie zu drei noch nie da gewesenen Mitteln. Erstens werden die EU-Staaten künftig die Zufallsgewinne von Stromerzeugern abschöpfen, die mit Wind, Sonne,
Wasser und Kernenergie produzieren. Deren Energiequellen sind billig, trotzdem verdienen sie derzeit enorm, weil der Strompreis an den Gaspreis gekoppelt ist. Gewinne, die über 180 Euro je Megawattstunde
liegen, sollen die Konzerne künftig
für das Gemeinwohl abliefern. Die Staaten müssen das Geld dann verwenden, um Unternehmen und Private zu entlasten, die unter den hohen Energiepreisen stöhnen.
Diesem Zweck dient – zweitens – ein Solidaritätsbeitrag, der von
Unternehmen eingehoben wird, die ihr Geschäft mit Öl, Gas, Kohle oder im Raffineriebereich machen. Der Beitrag soll etwa 30 Prozent auf alle Profite betragen, die mehr als 20 Prozent über den Durchschnittsgewinnen der vorangegangenen drei Jahre liegen.
Drittens werden die Staaten zum Stromsparen vergattert. Während ausgewählter Spitzenzeiten müssen sie den Verbrauch um fünf Prozent drosseln, als Gesamteinsparungsziel werden bis März zehn Prozent angepeilt.
Die drei Maßnahmen werden in eine Notfallverordnung gegossen, die die Staaten ab Dezember umsetzen müssen. So weit, so unstrittig.
Noch gewaltigen Diskussionsbedarf hat die Ministerrunde bei der Frage eines – wie immer gearteten – Preisdeckels auf Gas. Die Rufe danach werden immer lauter. So fordert eine Allianz aus 15 Staaten eine Preisobergrenze auf alles Gas, das importiert und innerhalb der EU gehandelt wird. Das würde für Pipeline-Gas ebenso gelten wie für Flüssiggas (LNG), für Gas aus Russland ebenso wie für Lieferungen aus verbündeten Staaten wie Norwegen und den USA.
Die Kommission winkt ab. Sie will zunächst mit verbündeten Gaslieferanten über Preisnachlässe verhandeln. Einen Preisdeckel nur auf
russisches Gas befürwortet die Kommission jedoch.
Österreich gehört neben Deutschland und Ungarn zu jenen Ländern, die jede Art von Gaspreisdeckel ablehnen. Aus mehreren
Überlegungen. So könnte nicht nur Russland das Gas ganz abdrehen, sondern befreundete Lieferanten
könnten sich zurückziehen. Außerdem: Wenn sich die Energieunternehmen nicht mehr individuell im Bieterverfahren auf dem Markt versorgen können, müsste ein EU-weiter Verteilungsmechanismus kommen. Den gibt es noch nicht.
Und das vielleicht schlagendste Argument gegen den Preisdeckel: Der Gaspreis wird erst sinken, wenn die Nachfrage sinkt. Ein garantierter Preis schafft aber keine Anreize zum Energiesparen.