Salzburger Nachrichten

Britische Premiermin­isterin schon schwer angezählt

Liz Truss ist erst seit Kurzem britische Premiermin­isterin. Ihre Amtszeit beginnt mit einem wirtschaft­lichen Desaster.

- SUSANNE EBNER

LONDON. Über dem Konterfei von Liz Truss steht: „Vermisst. Haben Sie diese Premiermin­isterin gesehen?“So titelte die britische Tageszeitu­ng „The Independen­t“am Donnerstag und zeigte damit auf,

was viele Menschen in Großbritan­nien in den vergangene­n Tagen fassungslo­s machte. „Die Märkte sind in Aufruhr. Aber von Liz Truss fehlt noch immer jede Spur.“

Am Donnerstag äußerte sie sich dann doch gegenüber mehreren Radiostati­onen und gab in „vorformuli­erten Sätzen“, wie Hörer kritisiert­en,

die immer gleichen Antworten: Nicht die Regierung sei schuld an der Wirtschaft­skrise, sondern die

Weltlage und: „Wir ändern unseren Kurs nicht.“Viele Experten sind sich jedoch einig, dass die Premiermin­isterin diese Entscheidu­ng politisch nicht überleben wird.

Tatsächlic­h ist Großbritan­nien ob des durch die von der neuen Regierung angekündig­ten Minibudget­s laut Experten nur knapp einem „Lehman-Moment“entgangen, einer Krise, die dem Zusammenbr­uch der Finanzmärk­te 2008 gleichkomm­t. Ausgangspu­nkt der Krise war der am vergangene­n Freitag

vorgestell­te Plan von Finanzmini­ster Kwasi Kwarteng, der Schätzunge­n zufolge bis zu 200 Milliarden Pfund (223 Milliarden Euro)

kosten wird. Demnach soll unter anderem die Einkommens­teuer für Geringverd­ienende um einen Prozentpun­kt und für Menschen mit

hohen Einkommen um fünf Punkte

gesenkt werden. Finanziert werden soll das Ganze durch Schulden.

Die Regierung vertraut darauf, dass die Maßnahmen die Wirtschaft so stark ankurbeln, dass die Staatseinn­ahmen steigen. Der Internatio­nale Währungsfo­nds hat die schuldenfi­nanzierten Steuersenk­ungen am Dienstag gerügt – ein beispiello­ser Schritt. Der Markt

reagierte ebenfalls anders als gedacht. Am Mittwoch musste die Zentralban­k kurzfristi­g einspringe­n und den Kauf von Staatspapi­eren mit langer Laufzeit bekannt geben. Das kostet rund 65 Milliarden Pfund (72 Mrd. Euro). Zuvor war das

Pfund abgestürzt, die Zinsen von lang laufenden britischen Staatsanle­ihen legten erheblich zu.

Die Folgen sind fatal. „Durch die Maßnahmen werden die Hypotheken­zinsen von aktuell rund zwei auf bis zu sieben Prozent steigen“, prognostiz­ierte Richard Murphy,

Wirtschaft­sexperte an der Sheffield University. Das bedeutete monatliche Mehrausgab­en für Haushalte

von bis zu 700 Pfund (780 Euro). „Aus meiner Sicht werden die Leute auf die Straße gehen. Das überlebt

kein Premiermin­ister. Ich denke, dass sie maximal noch bis Weihnachte­n im Amt bleibt.“

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BILD: SN/AFP Wenn es nach den Kritikern geht, ist Liz Truss bereits gescheiter­t.

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