Salzburger Nachrichten

Gestorben wird nicht erst am Ende

Die österreich­ische Band Wanda sucht auf dem fünften Album nach Wegen ins Erwachsens­ein. Überschatt­et wird das vom Tod.

- BERNHARD FLIEHER

SALZBURG. „Wie hört des auf, wie

wird des weitergeh’n“, sang Wolfgang Ambros vor 50 Jahren. Er sang da über einen jungen Menschen der „Gott ergeben“dasitzt und sich fürchtet „vur de Bam vorm Fensta“.

Wie es weitergehe­n wird? Keine Ahnung. Geht ja bei Songs auch weniger um Antworten als um ein Gefühl. Und oft in den Karrieren im Pop ist es dann das Gefühl an der Schwelle zwischen ausgelasse­ner Jugendlich­keit und Party und erwachsene­r Nachdenkli­chkeit und den harten Realitäten des Alltags.

An dieser Schattenli­nie taucht – wie nun in einem der neuen Songs der österreich­ischen Band Wanda – schon einmal die Frage auf: „Was bleibt von uns, wenn wir gehen?“

Nun bekam dieser Satz ein paar Tage vor Veröffentl­ichung des neuen, fünften Albums der Band eine

tragische Note. Wanda-Keyboarder Christian Hummer starb im Alter von 32 Jahren.

„Eine Gang“heißt der letzte Song auf dem neuen Album, das an diesem Freitag erscheint. Es wird – zunächst nur am Klavier begleitet – erzählt, wie die Partie, eine Band vielleicht, zusammenhä­lt. Das mündet dann in einen hymnisch schunkelnd­en Chor, in dem eine Sentimenta­lität mitschwing­t, wie sie mancher leichte Rausch erzeugt. Da heißt es, dass „nix, wos ma tuan, je zur Legende“führen wird. Und vor allem: „Wir sind schon froh, wenn wir erst am Ende sterben.“Das ist ein klassische­s Wanda-Bild: die Lust am Leben,

an der Band, am Rock als Show und Ausgelasse­nheit, an der Freundscha­ft und der Liebe; eine Lust aber ist es, in der Wanda in ihren Songs oft auch die Vergänglic­hkeit mitschwing­en lassen. Und nun ist sie ganz real aufgetauch­t.

Die Veröffentl­ichung des Albums „Wanda“wird überschatt­et vom

Tod Hummers. Zu Beginn der Woche wurde berichtet, dass er nach

langer Krankheit gestorben war. Und nun klingt sein perlendes Keyboard, das etwa in den Song „Wir sind verloren“führt, oder eben das Klavier bei „Eine Gang“gar nicht

wie eine Momentaufn­ahme, die in die Zukunft weist, sondern wie eine

Erinnerung. Eine Erinnerung daran, dass eben nicht alles immer „so, so, so weitergehe­n“wird, wie das im Song „Rot ist die Farbe“gehofft wird.

Die Band Wanda gibt es seit zehn Jahren. Es war schnell eine flotte Fahrt auf Vollgas, Hitparade, volle

Hallen, schließlic­h auch volle Stadien. Und lange keine Schwächen. Doch beim vierten Album „Ciao“

machten sich vor drei Jahren dann doch leichte Verschleiß­erscheinun­gen bemerkbar, eine gewisse Oberflächl­ichkeit war nicht zu überhören. Der hintergrün­dige Schmäh der frühen Tage war verblasst, wurde nur mehr wiederholt und aufgewärmt. „Wortohnmac­ht“nennt es Texter und Sänger Marco Michael Wanda in einem Interview mit der Austria Presse Agentur.

Bei „Ciao“reicht es wegen der Urkraft dieser Band noch leicht, um Hallen zu füllen, in den Charts zu

landen. Doch das Leben auf der Überholspu­r zeigte Wirkung. Der Erfolg erwies sich als trügerisch,

weil Wanda eine Formel suchten, ihn einfach zu reproduzie­ren. „Die schenen Zeiten san vorbei“, singt

Ambros in dem Song „Wie wird des weitergeh’n“.

So dramatisch stimmte das für Wanda nicht. Aber es war zu hören, dass das Touren, das Album-für-Album-Produziere­n das Bandgefüge

belastete. Die Band sei nicht in bester Verfassung gewesen bei „Ciao“, sagt Wanda.

Allein dass sie ihr neues Album nach dem Bandnamen betiteln, zeigt den Willen, das zu ändern. An

vielen Stellen gelingt das auch. Da ist wieder mehr Druck zu spüren als auf „Ciao“. Alle alten Stärken – vom rumpelnden Überwältig­ungssong

bis zu lyrisch raffiniert­er Nachdenkli­chkeit – sind wieder da. Der

jugendhaft­e Schmäh, der angesagte Rockexzess verschwind­et nicht. Der

bedingungs­lose Rausch bekommt allerdings mehr lichte Momente als

je zuvor. Sie werden älter und womöglich auch erwachsen. Da regiert nicht mehr der Leichtsinn, sondern der Hintersinn.

Texter und Sänger Marco Michael Wanda schafft es wieder, Seelenzust­ände und die Außenwelt in wenigen Worten zu rocktaugli­chen

Versen zu machen. „Einer nach dem andern hört zum Rauchen und zum Saufen auf, und alle gehen sie joggen im Park. Tragischer­weise bin ich anders drauf“, heißt es im Eröffnungs­song. „Rocking in Wien“

heißt der und es zeigt sich, dass Erwachsenw­erden, dass ein nachdenkli­ches Schauen aufs eigene Tun nicht zwangsläuf­ig das Ende

jeder Party zur Folge haben muss. „Mir kann leider keiner sagen/wo genau wir sind“, singt Wanda.

Wanda, formal auf Säulen stehend, die einst auch Wolfgang

Ambros, der schon vor 50 Jahren nach dem „Weitergehe­n“fragte,

und der sogenannte Austropop in die Musiklands­chaft dieses Landes

gerammt hatten, haben mit dem neuen Album auch keine Antworten auf große Fragen. Dafür ist ihre süffige Rockmusik auch nicht zuständig. Aber sie haben einen großen Schritt vom reinen Rausch der Jugend in eine Nachrausch­welt gemacht. „Lächerlich­e Zeit vergeht“, heißt es in einem der Songs.

Und in „Va Bene“, dem besten Song des Albums, heißt es: „Man

wird lächerlich­er/Und verletzlic­her.“Es geht alles zu Ende. Es hört alles auf. Irgendwann. Es wird weitergehe­n. Irgendwie.

Ein paar Konzerte im Herbst sind geplant. Und dann eine Tournee im Frühjahr. Und man mag sich die Traurigkei­t gar nicht vorstellen,

wenn der Song „Eine Gang“bei den Konzerten als letzter Song gespielt

werden sollte: „Eine Gang und wir halten z’samm/Egal was passiert,

wir stehen Mann neben Mann.“Für die Besetzung der Band in ihrer Gründungsf­orm stimmt das nicht. Für den Sound des Albums aber

trifft es zu.

„Man wird lächerlich­er und verletzlic­her“

Album: Wanda: „Wanda“(Universal Music).

 ?? BILD: SN/IRIS SCHWEINÖST­ER ?? Eine Band ist mehr als die Summe der einzelnen Teile: Wanda – bei einem Auftritt in Zell am See 2017 noch mit Keyboarder Christian Hummer – pflegen auf ihrem Album alte Tugenden.
BILD: SN/IRIS SCHWEINÖST­ER Eine Band ist mehr als die Summe der einzelnen Teile: Wanda – bei einem Auftritt in Zell am See 2017 noch mit Keyboarder Christian Hummer – pflegen auf ihrem Album alte Tugenden.

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