Salzburger Nachrichten

Der Krieg prägt einen Konzertabe­nd

- FLORIAN OBERHUMMER Filharmoni­e Brno, Dennis Russell Davies. Salzburg, Großes Festspielh­aus, 30. 9., 19.30 Uhr.

SALZBURG. Der Festspiels­ommer

war dicht, lang und heiß. Vier Wochen Zeit zum Durchlüfte­n taten

nicht nur den Freunden groß besetzter symphonisc­her Musik gut, sondern auch dem Großen Festspielh­aus. Dennoch fühlte sich der

erste Konzertabe­nd des Energiekri­senherbste­s seltsam kühl an. Am Programm lag das nicht, die Salzburger Kulturvere­inigung tischte am Mittwoch zum Auftakt der 50. Kulturtage schwere Kost auf: Mit der Symphonie Nr. 7 von Dmitri Schostakow­itsch stand eines der gewaltigst­en Orchesterw­erke des 20. Jahrhunder­ts auf dem Programm.

Die „Leningrade­r“, wie das Werk wegen seiner Entstehung während der Belagerung der russischen Stadt durch deutsche Truppen 1941 genannt wird, bietet in Zeiten des Ukraine-Krieges viel Diskussion­sstoff. Während der ersten Kriegswoch­en wurden Aufführung­en abgesagt, bei den Osterfests­pielen förderte Tugan Sokhiev die Wirkung des zu Stalins Zeiten propagandi­stisch genutzten Werks verstörend

kompromiss­los zutage. Sachlicher ist der Zugang von Dennis Russell Davies: Der Fachmann für die Musik

unserer Zeit bewies viel Gespür für die Tönungen des Werks. Niemals

gerät die Aufführung in den Bereich des Geschmackl­osen, weder färbt

Davies den vermeintli­chen HurraPatri­otismus des Werks zu grell

noch reizt er die immensen Lautstärke-Möglichkei­ten des Werks aus. Das Dämonische im Fagott oder das Expressive in der Klarinette vermittelt sich auch im kultiviert­en Klangbild, das die Filharmoni­e Brno pflegt.

Zentral ist die „Invasionse­pisode“im ersten Satz: Wie sich aus einer rhythmisch­en Figur der kleinen Trommel und einem repetitive­n Motiv der Streicher quälend langsam das kollektive Anrücken der Truppen entwickelt, das ist immer wieder beklemmend. Zusätzlich­e Spannung schufen Davies und das Orchester mit einer Schweigemi­nute für die Opfer des Krieges, die als Scharnier von Bohuslav Martinůs kurzem „Memorial to Lidice“

– einem weiteren Gedenkstüc­k für Opfer des NS-Terrors – zu Schostakow­itschs Symphonie führte. Die Spannung entlud sich erst nach eineinhalb pausenlose­n Stunden in

glühendem Jubel des Publikums.

Konzert:

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