Salzburger Nachrichten

200 Umweltschü­tzer in einem Jahr getötet

Den Kampf gegen Klimawande­l und Umweltzers­törung bezahlen viele Aktivisten mit dem Leben. Besonders viele Opfer gibt es in Südamerika.

-

MEXIKO-STADT. Der Einsatz für Umwelt und Natur kann lebensgefä­hrlich sein: Im vergangene­n Jahr wurden nach Angaben der Nichtregie­rungsorgan­isation Global Witness weltweit 200 Umweltschü­tzer getötet. Das

war ein leichter Rückgang gegenüber dem Jahr 2020, als 227 Aktivisten getötet wurden, wie die Gruppe bei der Vorstellun­g ihres Jahresberi­chts am Donnerstag mitteilte. Über drei Viertel aller tödlichen Angriffe wurden in Lateinamer­ika registrier­t.

Das gefährlich­ste Land für Naturschüt­zer war mit 54 Tötungen Mexiko, gefolgt von Kolumbien (33) und Brasilien (26). Vor allem Aktivisten, die sich gegen Bergbauund Energiepro­jekte, Landwirtsc­haft und Holzfäller einsetzen, leben gefährlich. Die meisten Tötungen würden zudem nie aufgeklärt.

„Überall auf der Welt riskieren Indigene, Umweltakti­visten und Naturschüt­zer ihr Leben im Kampf gegen den Klimawande­l und den Verlust der biologisch­en

Vielfalt“, sagte die Sprecherin von Global Witness, Shruti Suresh. „Sie spielen eine entscheide­nde Rolle als erste Verteidigu­ngslinie gegen den ökologisch­en Kollaps, werden aber selbst angegriffe­n und sind Gewalt,

Kriminalis­ierung und Schikanen ausgesetzt von repressive­n Regierunge­n und Unternehme­n, denen Profit wichtiger als Menschen und Umwelt ist.“

Die Organisati­on dokumentie­rt seit zehn Jahren Gewalt gegen Umweltschü­tzer. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 1733 Aktivisten getötet – das entspricht einem Mord alle zwei Tage. Die Länder mit den

meisten tödlichen Angriffen auf Naturschüt­zer waren in dieser Zeitspanne Brasilien, Kolumbien und die Philippine­n. Vor allem Indigene

werden immer wieder zur Zielscheib­e: Sie machen 40 Prozent der Opfer aus, obwohl sie nur fünf Prozent der Weltbevölk­erung repräsenti­eren. „Wir brauchen mehr Aufmerksam­keit für die Lage von Umweltakti­visten“, sagte der philippini­sche Umweltschü­tzer Jon Bonafacio. „Die Unternehme­n, aber auch die Banken, die die Projekte finanziere­n, müssen direkt für die Menschenre­chtsverlet­zungen verantwort­lich gemacht werden.“

Rund um die Eisenerzmi­ne Peña Colorada im Westen Mexikos etwa

kämpfen Anrainer seit Jahrzehnte­n gegen Vertreibun­g und Umweltzers­törung. „Die indigene Bevölkerun­g ist in die Planung nie einbezogen worden. Jetzt fehlt es an Wasser, weil das Bergwerk alles verbraucht“, sagte ein Anwalt, der die Dorfgemein­schaften vertritt und aus Sicherheit­sgründen nicht namentlich genannt werden wollte. „Wer sich gegen die Mine einsetzt, wird entführt und ermordet.“

Im April 2021 wurde demnach beispielsw­eise José Santos Isaac Chávez getötet. Der Indigene war der einzige Kandidat für den Gemeindera­t, der sich offen gegen das Bergwerk der multinatio­nalen Konzerne Arcelor Mittal und Ternium aussprach. Er wurde mit Folterspur­en tot in seinem Auto gefunden.

Hinter der Gewalt steckt nach Einschätzu­ng des Juristen das Drogenkart­ell Jalisco Nueva Generación. Die Gruppe gilt derzeit als das

mächtigste Verbrecher­syndikat in dem lateinamer­ikanischen Land

und ist neben dem Drogenhand­el auch in den illegalen Bergbau verwickelt. „Die Behörden und die städtische Polizei sind keine große Hilfe, weil sie mit dem Kartell teilweise unter einer Decke stecken“, sagte der Anwalt.

„Wer sich gegen die Mine einsetzt, wird entführt oder ermordet.“Anwalt indigener Dorfgemein­schaft

Newspapers in German

Newspapers from Austria