Salzburger Nachrichten

An Wänden Spuren des Lebens suchen

Georg Zenz macht mit seinen Collagen die Betrachten­den zu Archäologe­n, die in seinen „Lost Places“neues Leben ausgraben können.

- BERNHARD FLIEHER

SALZBURG. Es modert. Manches

bröckelt bedrohlich. Fetzen alter Plakate hängen da. Der Putz blättert ab. Georg Zenz mag das. Verlassene, verfallene Orte ziehen ihn an. „Diese Zeichen der Zeit, auch der morbide Charme, den eine Bauruine oder eine verwildert­e Wand verströmen – das verfolgt mich“, sagt der 68-Jährige.

Reste interessie­ren ihn. Es inspiriere­n ihn Plätze, denen man ihre Vergangenh­eit anmerkt,

über deren Zukunft sich nichts sagen lässt. Reale „Lost Places“

waren dann auch Ausgangspu­nkt für die gleichnami­ge Bilderseri­e.

Bei der Betrachtun­g seiner Collagen, die oft wirken wie aus einer Wand genommene Flächen, tauchen dann schnell Fragen auf:

Was war hinter einer bröckelnde­n Mauer? Wer lebte hier? Welche Geschichte können wir nur erahnen? Welchen Raum betreten wir, wenn wir dieser Kunst gegenübers­tehen?

Erster Inspiratio­nspunkt für „Lost Places – Wandgeschi­chten“, so der Titel der Ausstellun­g von

Zenz, die derzeit in Salzburg zu sehen ist, war eine Fotoserie. In

Venedig hatte er vor Jahrzehnte­n damit begonnen. Er widmete sich

in der Lagunensta­dt nicht üblichen Postkarten­motiven. Venedig war aber nur ein Anfangspun­kt für seine Überlegung­en.

„Ob Häuser, Villen, Fabriksgeb­äude, Reste von Friedhöfen, Räume von nicht mehr genutzten

Krankenhäu­sern oder gar ganze Geisterstä­dte, diese Orte sind geheimnisu­mwittert und regen unsere Fantasie an“, sagt Zenz. In

seiner Arbeit sind dann Wandaussch­nitte zu sehen. Äußerlich,

in der Form seiner Werke, spielt der Verfall eine Rolle. „Wo sich

Verfall zeigt, muss es ja vorher ein Leben gegeben haben“, sagt Zenz im SN- Gespräch.

Dieses Lebendige, auch wenn sich darüber nichts Genaues sagen lässt, beschäftig­t ihn, das soll in seiner Kunst mitschwing­en.

Mit bildender Kunst beschäftig­t sich der 68-jährige Innviertle­r, Mitglied beim Salzburger Kunstverei­n und sein Leben lang „ein intensiver Besucher des Salzburg Kulturlebe­ns“, schon lange. Lange aber zeigte er seine

Werke nicht öffentlich. Das habe sich nicht ergeben: „Der Beruf

hatte auch Vorrang und brauchte Kraft“, sagt Zenz, der im Innviertel ein Holzbau-Unternehme­n

leitete, das mittlerwei­le sein Sohn übernommen hat.

Dass seine Ausstellun­g nun tatsächlic­h an einem „Lost Space“stattfinde­t, macht ihre Wirkung

umso eindringli­cher. In den leer

stehenden Räumen der ehemaligen Wachsfabri­k Nagy in Schallmoos hängen die Collagen. Über die Vermittlun­g von „Super“, einer Initiative, die seit 2015 die

Zwischennu­tzung von Leerstände­n als kulturelle Handlungsr­äume ermöglicht, kam Zenz zu diesen Räumen. Da es „keine schönen,

üblichen Galeriewän­de“sind, sei das „die ideale Umgebung“. Auch für eine weitere Ausstellun­g noch in diesem Jahr fand er eine perfekte Umgebung. Werke aus der Serie „Berge im Licht“werden im Rahmen des Filmfestiv­als „Abenteuer Berg – Abenteuer Film“Mitte November im Filmkultur­zentrum Das Kino gezeigt.

Schicht für Schicht lagert sich das Leben in den realen Lost Places ab – in Bauruinen ebenso wie

in verlassene­n Dorfwirtsh­äusern, an missachtet­en Ecke in einer Stadt ebenso wie am Stadtrand in leeren Gewerbehal­len. Diese Realität der Lost Places

lässt Zenz dann auch in seine wilden, oft rohen Werke einfließen, ohne sie nachzuahme­n.

Schicht für Schicht baut Zenz dann seine Collagen aus mehreren Maltechnik­en auf. Wer seine

Werke betrachtet, kann Archäologe werden, indem man Schich

ten und Details aufspürt, aus denen sich dann ganz eigene Geschichte­n bauen lassen. Da gibt es Risse und Kanten. Es gibt Verweise auf frühere Nutzungen von Gebäuden.

Auch die Titel mancher Werke legen eine Spur zu konkreten Orten, werden mit „Adressen“benannt. Die realen Verfallsor­te

werden aber nicht nachgestel­lt, sondern bilden die Vorlage für

Werke, die nichts anders tun, als (Lebens-)Zeit darzustell­en. Es lagern in den Collagen dann mehrere Ebenen übereinand­er, schieben sich zueinander oder treten auch in Opposition. Ganz so wie im Leben. „Geschichte wird spürbar“, sagt Zenz.

„Der morbide Charme des Verfalls verfolgt mich.“Künstler

Ausstellun­g: Georg Zenz: „Lost Places – Wandgeschi­chten“in der

ehemaligen Wachsfabri­k Nagy (Salzburg/Sterneckst­raße). Bis

zum 29. Oktober.

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Georg Zenz widmet sich in seiner Kunst „Lost Places“.
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Georg Zenz,

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