Salzburger Nachrichten

„Kohle ist ein Randproduk­t geworden“

- ANDREAS TRÖSCHER

Wolfgang Rothauer ist einer der letzten Kohlenhänd­ler von Wien. Mit den SN hat er über das langsame Verschwind­en einer Branche, Lieferengp­ässe, Preissteig­erungen und die explodiere­nde Nachfrage nach Brennholz gesprochen.

WIEN. Kohle als Energielie­ferant feiert ein unverhofft­es Comeback. So

hat etwa die Bundesregi­erung vorgeschla­gen, das steirische Fernheizkr­aftwerk Mellach auf Kohlenbetr­ieb umzurüsten. Am privaten Sektor sieht die Sache aber offenbar anders aus. Wolfgang Rothauer ist einer der letzten von einst 5400 Kohlenhänd­lern in Wien. So viele

waren es Ende der 1950er-Jahre. 30 Jahre später waren es immer noch 180. Und jetzt? „Ein paar andere gibt’s noch, drei oder vier“, sagt der

Wiener Kohlenbaro­n. So heißt die Firma, die Rothauer in der Schweglers­traße in Rudolfshei­m-Fünfhaus

betreibt. Ein Kilogramm Steinkohle verkauft er aktuell um 1,20 Euro.

Der Preis hat sich in den vergangene­n Monaten verdoppelt.

Energiekri­se und explodiere­nde Strompreis­e hin oder her: „Steinkohle wird nicht mehr angefragt als sonst“, sagt Rothauer. „Es vergeht

kaum ein Tag, dass jemand zu mir sagt: Mit Kohle zu heizen ist doch gar nicht mehr erlaubt. Ich glaube,

viele denken wirklich, sie dürfen das nicht mehr.“Nächstes Problem: „Die Ware ist jetzt viel schwierige­r zu bekommen“, erzählt der Kohlenbaro­n. „Anfang des Jahres haben sie das Ruhrgebiet in Deutschlan­d zugesperrt. Und die Polen sind gefördert worden, dass sie ihre Gruben zusperren. Dafür importiere­n sie jetzt 15 Millionen Tonnen aus Russland. Es ist ein Kasperlthe­ater.“

Zwischen- oder Großhändle­r gibt es nicht mehr. „Die Kohlpack

hat zugesperrt, es gibt keine richtigen Importeure mehr.“2008, als er noch selbst Großhändle­r war, habe es am Nordbahnho­fgelände 50 seiner Zunft gegeben. 2012 war er der letzte, als er am Nordbahnho­f aufhörte. Er sagt: Man könne „doch nicht auf erneuerbar­e Energie setzen und fossile Brennstoff­e ganz abdrehen“. Kohle sei ein derartiges

Randproduk­t geworden, dass einer seiner Mitarbeite­r direkt zu einer

polnischen Kohlengrub­e fahren müsse, um die Ware abzuholen. „Und selbst dort sind die Mengen mittlerwei­le kontingent­iert.“

Doch beim Kohlenbaro­n in der Schweglers­traße bekommt man

nicht nur Kohle. Geschäft macht Rothauer derzeit vor allem mit Brennholz. „Ich will es noch nicht als Panikkäufe bezeichnen, aber die

Kunden sind schon sehr nervös. Seit Juni, Juli werden wir regelrecht

bestürmt.“Es gebe sogar welche, die kaufen Holz, obwohl sie noch gar keinen Ofen haben. Denn für klassische Schwedenöf­en gibt es

Wartezeite­n bis zu einem Jahr. Auch freie Termine bei den Rauchfangk­ehrern sind ein rares Gut.

Apropos Wartezeite­n: „Wir liefern auch Stückgut. Aber die Warteliste ist lang“, verrät Wolfgang Rothauer. Rund 80 Prozent Preisansti­eg gab es bei Brennholz. Nichts im Vergleich zu Pellets. „Die sind um 350 Prozent hinaufgesc­hossen.“Das liege daran, dass man Pellets in großen Mengen lagern und somit damit vortreffli­ch spekuliere­n könne, meint der Kohlenhänd­ler. Wie es

weitergeht? „Ich rechne mit Entspannun­g, es wird alles wieder besser werden. Vielleicht wird es ja auch ein milder Winter. Dann kann

man im Frühling billig einkaufen.“

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