„Kohle ist ein Randprodukt geworden“
Wolfgang Rothauer ist einer der letzten Kohlenhändler von Wien. Mit den SN hat er über das langsame Verschwinden einer Branche, Lieferengpässe, Preissteigerungen und die explodierende Nachfrage nach Brennholz gesprochen.
WIEN. Kohle als Energielieferant feiert ein unverhofftes Comeback. So
hat etwa die Bundesregierung vorgeschlagen, das steirische Fernheizkraftwerk Mellach auf Kohlenbetrieb umzurüsten. Am privaten Sektor sieht die Sache aber offenbar anders aus. Wolfgang Rothauer ist einer der letzten von einst 5400 Kohlenhändlern in Wien. So viele
waren es Ende der 1950er-Jahre. 30 Jahre später waren es immer noch 180. Und jetzt? „Ein paar andere gibt’s noch, drei oder vier“, sagt der
Wiener Kohlenbaron. So heißt die Firma, die Rothauer in der Schweglerstraße in Rudolfsheim-Fünfhaus
betreibt. Ein Kilogramm Steinkohle verkauft er aktuell um 1,20 Euro.
Der Preis hat sich in den vergangenen Monaten verdoppelt.
Energiekrise und explodierende Strompreise hin oder her: „Steinkohle wird nicht mehr angefragt als sonst“, sagt Rothauer. „Es vergeht
kaum ein Tag, dass jemand zu mir sagt: Mit Kohle zu heizen ist doch gar nicht mehr erlaubt. Ich glaube,
viele denken wirklich, sie dürfen das nicht mehr.“Nächstes Problem: „Die Ware ist jetzt viel schwieriger zu bekommen“, erzählt der Kohlenbaron. „Anfang des Jahres haben sie das Ruhrgebiet in Deutschland zugesperrt. Und die Polen sind gefördert worden, dass sie ihre Gruben zusperren. Dafür importieren sie jetzt 15 Millionen Tonnen aus Russland. Es ist ein Kasperltheater.“
Zwischen- oder Großhändler gibt es nicht mehr. „Die Kohlpack
hat zugesperrt, es gibt keine richtigen Importeure mehr.“2008, als er noch selbst Großhändler war, habe es am Nordbahnhofgelände 50 seiner Zunft gegeben. 2012 war er der letzte, als er am Nordbahnhof aufhörte. Er sagt: Man könne „doch nicht auf erneuerbare Energie setzen und fossile Brennstoffe ganz abdrehen“. Kohle sei ein derartiges
Randprodukt geworden, dass einer seiner Mitarbeiter direkt zu einer
polnischen Kohlengrube fahren müsse, um die Ware abzuholen. „Und selbst dort sind die Mengen mittlerweile kontingentiert.“
Doch beim Kohlenbaron in der Schweglerstraße bekommt man
nicht nur Kohle. Geschäft macht Rothauer derzeit vor allem mit Brennholz. „Ich will es noch nicht als Panikkäufe bezeichnen, aber die
Kunden sind schon sehr nervös. Seit Juni, Juli werden wir regelrecht
bestürmt.“Es gebe sogar welche, die kaufen Holz, obwohl sie noch gar keinen Ofen haben. Denn für klassische Schwedenöfen gibt es
Wartezeiten bis zu einem Jahr. Auch freie Termine bei den Rauchfangkehrern sind ein rares Gut.
Apropos Wartezeiten: „Wir liefern auch Stückgut. Aber die Warteliste ist lang“, verrät Wolfgang Rothauer. Rund 80 Prozent Preisanstieg gab es bei Brennholz. Nichts im Vergleich zu Pellets. „Die sind um 350 Prozent hinaufgeschossen.“Das liege daran, dass man Pellets in großen Mengen lagern und somit damit vortrefflich spekulieren könne, meint der Kohlenhändler. Wie es
weitergeht? „Ich rechne mit Entspannung, es wird alles wieder besser werden. Vielleicht wird es ja auch ein milder Winter. Dann kann
man im Frühling billig einkaufen.“