Salzburger Nachrichten

Mit dem Klimaticke­t und dem Rennrad zur letzten Party

Über einen kleinen Moment, in dem sich der seltene Wunsch vom väterliche­n Glück erfüllt.

- Bernhard Flieher

Das Heldentum früherer Tage verblasst ohne

Aufregung. Schlendern­d geht es zu Ende, dieses väterliche Heldentum. Es wird nicht ausgeblase­n wie eine Kerze, sondern verliert sich. So wie das bei Songs passiert, die in einem Fade-out enden. Eines der schönsten Fade-outs, die ich kenne, stammt von Pearl Jam. „Wishlist“heißt der Song. Als schon

kaum noch etwas zu hören ist, äußert Sänger Eddie Vedder bei der Abarbeitun­g einer Liste einen letzten, hingehauch­ten Wunsch: „I wish, I was the radio song, the one that you turned

up.“Früher endeten viele Songs mit so einem Fade-out, wurden leiser und leiser und dann in aller Ruhe – aus. Längst aber beginnt das meiste, das viele Unruhige, das uns umgibt, mit einem Knall und endet mit einem Schock. Väter so Mitte 50 aber haben das Fade-out von Pearl Jam, was jedoch auch beweist, dass sie unmöglich werden. Das lässt sich an Musik-Playlisten ablesen. Väter hören die falsche Musik, also

immer noch Bob Dylan statt endlich Harry Styles,

immer wieder einmal Pearl Jam statt Ed Sheeran, Natalie Merchant statt Dua Lipa, Nirvana statt Billie Eilish. Sie zappen durch Fußball-Streams, statt bei TikTok zu wischen. Sie verwenden die falschen Worte, und deshalb sagen sie als Formel der Zustimmung immer noch „Genau“oder „So ist es“. Man sagt da mittlerwei­le aber „voll“. Väter haben das nicht gesagt, sie waren es. Väter werden allmählich von gestern, das ist Job und Bestimmung. Ich weiß das alles über Väter, weil ich einer bin und Pearl Jam immer wieder gerne höre und trotzdem – wenn auch nur mehr ein paar Wochen – Erziehungs­berechtigt­er bin. Wozu mich das berechtigt, frage ich mich seit fast 18 Jahren, was fast so lange ist, wie ich den Song „Wishlist“mag, von dem wegen des Führersche­ins nun übrigens auch ein anderer Satz

nicht mehr gilt: „I wish I was the pedal brake that you depended on.“Immerhin kann ich trinken, wenn wir manchmal noch gemeinsam

mit dem „Kind“bei einem Fest auftauchen.

Und dort hört man dann auch von anderen,

wie ihr Heldentum in der gesellscha­ftlichen Realität der Jungen verblasst. Und dann erzählt da einer, dass seine Tochter von einem umgarnt wird, der eh sehr okay sei. Und der Typ

habe eh ein lässiges Auto, mit dem er angebe. Und das Kind, das aus Sicht aller anderen schon erwachsen ist, wundert sich sehr. Denn das, was ein Typ heute brauche, damit man

ihn gut finde, das sei kein Auto, sagt sie. Auto, sagt sie, ist schrecklic­h gestern. Damit sie, sagt sie, einen Typen wirklich gut finden könne,

brauche der „ein Klimaticke­t und ein Rennrad“. Ich ahne, wie mein Kind, das kein Kind mehr ist, nickt, wenn sie das hört, und wie das Kind denkt: „Voll.“Und ich denke an die nächste Zugfahrt mit dem Rennrad und ich höre, wie der Eddie Vedder seit 24 Jahren singt „I

wish I was as fortunate as me“– und wie dieser Satz bald 18 Jahre stimmt.

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