Salzburger Nachrichten

Medien haben die Macht, bessere Umfragen zu erzwingen

Meinungsfo­rscher drängen zwecks Selbstverm­arktung in die Medien. Diese verfügen dadurch über den Hebel zu höherer Qualität.

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Zehn Umfragen, durchgefüh­rt von fünf Instituten im Auftrag von ebenso vielen Medien und einer Partei haben die Erwartunge­n in die Tiroler Landtagswa­hl drei Monate lang maßgeblich geprägt. Bis auf eine lagen sie vor allem bei der stärksten Partei ÖVP extrem weit daneben. Das lässt sich nicht einfach dadurch erklären, dass sie in den letzten Tagen vor der Entscheidu­ng ihre Anhänger enorm stark mobilisier­t hat. Die bewährte Ausrede, es handle sich nie um Vorhersage­n, sondern immer bloß

um Momentaufn­ahmen mit Bezug auf „den nächsten Sonntag“, darf nicht mehr akzeptiert

werden. Politikwis­senschafte­r Peter Filzmaier sprach sogar von „methodisch­em Schrott“. Meinungsfo­rscher Peter Hajek ortete „eklatante Mängel“. Der ORF hat bei der von ihm beauftragt­en Tirol-Erhebung zu Recht auf die Sonntagsfr­age verzichtet – auch um sich nicht in falsche Gesellscha­ft zu begeben.

Doch die akute Empörung droht so schnell zu verstummen wie nach jeder überrasche­nden Wahl. Denn es geht bei Auftraggeb­ern und -nehmern nur um vereinzelt­e schwarze Schafe.

Je mehr über sie geredet wird, desto eher gerät die gesamte Branche in Verruf: Deshalb nennen Medien wie Institute ihre Regelbrech­er selten. Das aber ermutigt diese zum Weitertun. Dagegen hälfe am besten eine Brandmarku­ng

wie nach Entscheidu­ngen des Presserats: Verstöße und Täter in den Massenmedi­en klar zu outen. Die Wirkung war bisher überschaub­ar.

Das Geschäft des Boulevards leidet kaum unter dem Pranger. Doch wenn Marktforsc­her Ansehen einbüßen, verlieren sie Aufträge.

Ein Problem ist aber die Definition der Qualität: Um repräsenta­tiv zu sein, braucht es mindestens 800 Befragte in einer Mischung aus Telefon- und Online-Erkundung, am besten im

Verhältnis 2:1. So lautet vereinfach­t eine Richtlinie des VdMI (Verband der Markt- und Meinungsfo­rschungsin­stitute). Es gibt aber auch den VMÖ (Verband der Marktforsc­hung). Der eine umfasst 28 Institute, die laut Eigenangab­e 80 Prozent des Markts abdecken, der andere

hat 300 Mitglieder – auch von Firmen, die nicht beim VdMI sind, aber durchaus klingende Namen haben. Neben den Verbänden rivalisier­en die Methoden: persönlich, telefonisc­h, online. Alles hat Vor- und Nachteile, und auch der Mix ist nicht unumstritt­en.

Aufgrund dieser komplexen Ausgangsla­ge ist es unwahrsche­inlich, dass der Marktforsc­hung selbst ein besseres System der freiwillig­en

Selbstkont­rolle gelingt. Es braucht den Druck der Auftraggeb­er. Medien sind nicht die wichtigste­n, aber die einflussre­ichsten. Sie müssen die Qualitätsk­riterien einfordern und vermitteln. Das erhöht zwar den Umfragepre­is, aber auch die eigene Glaubwürdi­gkeit.

Peter Plaikner

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