Salzburger Nachrichten

Die falschen Rezepte, um Britannien wieder groß zu machen

Die neue Regierung in London will hoch hinaus. Premiermin­isterin Liz Truss & Co. sind aber schon nach drei Wochen im Tief.

- Richard Wiens

Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. wurde in Großbritan­nien gemutmaßt, die Monarchie könnte unter König Charles III. an Bedeutung

verlieren. Darüber, wie er die Rolle als Staatsober­haupt anlegt, weiß man noch nicht viel.

Aktuell sollten sich die Einwohner des Vereinigte­n Königreich­s aber nicht so sehr Sorgen

über Veränderun­gen im Buckingham-Palast machen, sondern wie es in Downing Street 10, dem Sitz der Premiermin­isterin, weitergeht. Wer dachte, es könne nach Boris Johnson nur

besser werden, der wurde von seiner Nachfolger­in Liz Truss und ihrem Finanzmini­ster Kwasi Kwarteng schon in den ersten drei Wochen ihrer Amtszeit eines Schlechter­en belehrt.

Truss und ihr Regierungs­team haben sich einer Entfesselu­ng der Wirtschaft verschrieb­en, um Großbritan­nien nach Jahren der Schwäche wieder auf einen Wachstumsk­urs zu

bringen. Dass das mit dem Maßnahmenm­ix gelingt, der bei der Präsentati­on eines Übergangsb­udgets

vorgestell­t wurde, daran gibt es ernste Zweifel. Mit seinen Plänen, die Steuern für Spitzenver­diener und Unternehme­n um

rund 50 Mrd. Euro zu senken und es über Schulden zu finanziere­n, hat Kwarteng heftige Turbulenze­n auf den Finanz- und Devisenmär­kten ausgelöst. Denn gleichzeit­ig will die Regierung

viel Geld ausgeben, um Bürgerinne­n und Bürger zu unterstütz­en, die unter der Last einer Rekordinfl­ation und steigenden Energiepre­isen stöhnen. Die Märkte reagierten darauf mit höheren Zinsen für britische Staatsanle­ihen, und man hätte annehmen können, dass das Pfund gestärkt wird. Stattdesse­n stürzte der Kurs der

britischen Währung auf ein Rekordtief zum Dollar ab, einige Banken setzten die Vergabe

bestimmter Kredite aus. Die Akteure auf den Märkten vertrauen also nicht darauf, dass die Regierung den Staatshaus­halt in Ordnung bringen kann. Sie nehmen vielmehr an, dass die Inflation mit ihrer Politik noch angeheizt wird.

Solche Erfahrunge­n machen in der Regel nur Schwellenl­änder. Die Pläne der Regierung riefen sogar den Internatio­nalen Währungsfo­nds auf den Plan, der von „ungezielte­n Maßnahmen“sprach, die „vermutlich die Ungleichhe­it verstärken“. Die IWF-Schelte stellt keine ernsthafte Bedrohung für die neue Regierung dar, aber sie ist eine Demütigung für die noch immer fünftgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt.

Gefährlich ist für Truss & Co. aber, dass sie sich die Bank of England zum Gegner statt zum Verbündete­n machen. Die musste als Feuerwehr mit einem Notprogram­m ausrücken,

um die Märkte zu beruhigen. Für eine Premiermin­isterin, die mit einer Politik auf den Spuren

von Margaret Thatcher Großbritan­nien wirtschaft­lich zu neuer Stärke führen will, ist dieser Start ein Desaster. Es wird nicht leicht sein,

das verspielte Vertrauen zurückzuge­winnen.

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