500 E Kolumnenbonus
Sehr verehrte Leseleistungserbringende!
Wie Sie sicher bemerkt haben, wird die gegenständliche Kolumne für Sie immer teurer. Schuld daran sind die stark steigenden Rohgedankenpreise. Auf den internationalen Warenhandelsbörsen geht der Preis für das Fass Gedanken zurzeit unfassbar in die Höhe.
Um dieser bedenklichen Entwicklung auf den Rohstoffmärkten Rechnung zu
tragen, haben wir mit großer WienEnergie um Milliardenhilfe beim Bund angesucht und – wie wir zuvor spekuliert hatten – diese auch erhalten. Dennoch sehen wir uns leider gezwungen, den Preis dieser Kolumne ab sofort um drei Cent pro Buchstaben zu erhöhen.
Wir bedauern diesen Schritt außerordentlich, sehen ihn mit Rücksicht auf die notwendige Versorgungssicherheit mit systemrelevanten Kolumnenweisheiten aber als unumgänglich an.
Freilich ist uns bewusst, dass die inflationsbedingte Buchstabenentgeltanpassung zu gewissen sozialen Verwerfungen führen könnte. Deshalb dürfen
wir gleichzeitig die Inslebenrufung eines großzügigen Kolumnenbonus bekannt geben: Mithilfe einer externen Agentur
werden wir an alle Personen, die seit länger als sechs Monaten in Österreich hauptlesesitzgemeldet sind, bis spätestens Mitte Oktober 500 Gratisbuchstaben, und zwar 500 E (Kinder: 250 E) zur Ausschüttung bringen.
Eine Antragstellung ist nicht notwendig. Sie können ruhig daheim auf Ihren
vier Buchstaben sitzen und die Überweisung abwarten. Der Bezug der 500 E ist steuerfrei, ihre Verwendung fakultativ.
Das heißt, sie können damit 500 Mal „oje“schreiben bzw. sagen oder 250 Mal „See“oder auch 100 Mal „Erbsensuppenteller“. Ganz wie Sie wollen.
Selbstredend (3 E!) können die durch den Kolumnenbonus zur Auszahlung gelangenden
E auch gegen andere Buchstaben – etwa gegen A oder U – eingetauscht werden. Der Fachausdruck hierfür lautet E-Mobilität. Der Umtausch
wird von den Behörden unbürokratisch, niederschwellig und auf Augenhöhe organisiert. Der Umtauschkurs beträgt generell 1:1 (nur bei Y 1:2).
Trotz des großzügigen Kolumnenbonusses (2 U!) ist es leider nicht auszuschließen, dass die Buchstabenverteuerung zu einem gewissen Verstummen der Bevölkerung führen könnte. Experten warnen vor einem harten, wortlosen
Winter. Denn (und das sollten wir vielleicht auch noch erwähnen) zusätzlich zur marktbedingten Preiserhöhung heben wir ab 1. Oktober auf jedes gesprochene bzw. geschriebene Wort auch noch eine CO2-Steuer von acht Cent pro
Tonne heißer Luft ein. Beabsichtigt ist damit ein Lenkungseffekt gegen sinnloses Gebrabbel und lange Reden.
Falls Sie jetzt verwirrt sein und sich fragen sollten, was wir damit bezwecken, die Buchstaben gleichzeitig zu verbilligen und zu verteuern und für die
Teuerung dann wiederum einen Teuerungsausgleich einführen, dann können
wir nur antworten: Denken Sie nicht darüber nach. Das verstehen Sie nicht. Das ist halt höhere Politik.
Unterm Strich wird der geschriebene und gesprochene Buchstabe jedenfalls teurer. Als flankierende Maßnahme ist es daher dringend geboten, die einseitige Abhängigkeit dieser Kolumne von lateinischen Buchstaben abzubauen. Gespräche mit Ägypten über die rasche Lieferung von Hieroglyphen wurden bereits aufgenommen. Auch Fühler nach Sumer und Akkad betreffend KeilschriftImporten wurden ausgestreckt. Die Verwendung chinesischer Schriftzeichen kommt aus neutralitätspolitischen Gründen nicht infrage.
Als Sofortmaßnahme gegen die Teuerungskrise bleibt daher vorläufig nur ein einziger Ausweg: das gute, alte Buchstaben-Sparen. Dies Kolumn wir dahe bi au weitere u eine Buchstabe pr Wor verkürz. Wi bitte u Verständni!