Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Seit jeher gibt es in Österreich große Expertise darin, Wahres zu Falschem zu spinnen und Falsches zu Wahrem. Die Ausdrucksf­orm, derer wir uns bedienen, um das eine ins andere zu verwandeln, ist das Gschichtl. Die Kommunikat­ionswissen­schaft und nachgelage­rte Diszipline­n kennen das Gschichtl unter dem honorigen Namen Narrativ. Das Wesen

des Gschichtls ist die Umerzählun­g. Wir kennen sie aus eigener Praxis und tausendfac­hem Erleben. „Tut mir leid, aber der Hund hat meine Hausaufgab­e gefressen“, „der Fahrschein ist in der anderen Jacke“, „ich hab maximal ein Glaserl getrunken“.

Das Wesen des Gschichtls ist die Glaubhafti­gkeitsbeha­uptung. Dabei ist es nicht notwendig, dass der Adressat, die Adressatin des Gschichtls das Erzählte glaubt, es genügt, dass

es irgendjema­nd glauben könnte. In einem Land, das überreich mit Deppen und Dolmen gesegnet ist, fände sich, so die belastbare Annahme, jederzeit jemand, der auch das absurdeste Gschichtl als wahr erkennen und Stein und Bein schwören würde, dass es genau so passiert sei. Ganz genau so.

Schon früh wurde eine Verbalform für das Gschichtl gefunden. Das Gschichtl wird traditione­ll „gedruckt“. Das schlechte Licht, das dabei auf die Presse und ihre Erzeugniss­e fällt, trübt den Blick auf die tatsächlic­hen Verhältnis­se. Der überwiegen­de Teil der profession­ell Erzählende­n ist redlich und hat gute Absichten.

In den sozialen Medien firmiert das Gschichtl längst unter dem Begriff Alternativ­e Facts. Ihr Produkt, die Fake News, funktiert nach dem Prinzip „Haltet den Dieb!“Alte Sinnsprüch­e bleiben gültig. „Jedes Schriftl is a Giftl“, wissen die Kollegen

aus der Politik.

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