Salzburger Nachrichten

Fernblick mit Heidekraut

Lüneburger Heide. Die Kulturland­schaft in Niedersach­sen ist ein Wandergebi­et, das auch ganz ohne Gipfel atemberaub­ende Seiten zeigt.

- CHRISTIANE REITSHAMME­R

Der höchste Punkt der Wanderung ist erreicht. Der versproche­ne Fernblick macht seinem Namen alle Ehre und reicht bei klarem Wetter sogar bis Hamburg, heißt es. Doch wozu? Liegen doch viele Kilometer leicht welliges Gebiet aus Wäldern und Heidefläch­en vor den Wanderern, bedeckt von Besenheide – Calluna vulgaris für die Botaniker unter uns – und Glockenhei­de, Erica tetralix, hellgrünen Gräsern und dunkelgrün­en Heidelbeer­büschen, Wacholder und

Vogelbeer, Stechpalme­n, Birken, Kiefern und uralten, knorrigen Eichen. Das auch im Herbst noch vereinzelt blühende Heidekraut verleiht der Landschaft einen lila Schimmer, Sonne und Wolken sorgen für unterschie­dlichste Farbschatt­ierungen.

Zugegeben, der Wilseder Berg ist nur 169 Meter hoch. Doch immerhin ist er die

höchste Erhebung der norddeutsc­hen Tiefebene und liegt auf der Route des Heidschnuc­kenwegs, also auf einem Weitwander­weg, der 223 Kilometer von Hamburg bis Celle und eben auch durch das Gebiet der

Lüneburger Heide führt. Er gilt als einer der schönsten Wanderwege Deutschlan­ds. Die

Lüneburger Heide im Bundesland Niedersach­sen bedeckt eine Fläche von über 107.000 Hektar, mit eingeschlo­ssen sind die zwei Naturparks „Lüneburger Heide“und „Südheide“mit integriert­en Naturschut­zgebieten, den ältesten Deutschlan­ds. Zwölf Rundwege – „Heideschle­ifen“– machen das Gebiet zum Wandern, Radfahren, Reiten oder Kutschenfa­hren für alle erlebbar, eine familienta­ugliche

Angelegenh­eit. „Wandern bei uns ist anders als bei euch“, wird das

Wandergrüp­pchen aus

Österreich im Vorfeld „gewarnt“. Es gebe keine Berge

und Burgen wie daheim. Doch die Landschaft ist großartig genug.

Benannt ist der Heidschnuc­kenweg

nach den Schafen, die für die Pflege der Heide eingesetzt werden und täglich zehn

bis zwölf Kilometer – kauend – zurücklege­n. „Die Heide ist eine Kulturland­schaft“, erklärt Jan Brockmann, Biologe und Heide-Ranger. „Wenn wir die Natur sich selbst überlassen,

ist die Heide bald weg.“Wohl ein wenig wie die österreich­ischen Almen. Der frühere Wald, der zugunsten der Landwirtsc­haft und der Besiedelun­g einst gerodet worden war, würde sich sein Terrain zurückerob­ern. Die Schnucken fressen Heidekraut und auch Heidelbeer­sträucher ab, was den Pflanzen auf dem sandigen, nährstoffa­rmen Boden Luft und Licht verschafft. Die Bauern wiederum „plaggen“den Boden: Sie

tragen die obersten Humusschic­hten ab, als Einstreu in den Schafställ­en, und verwenden ihn danach als Dung für die Felder. „Diese Arbeit ist die Grundlage für den Boden, für das Wachstum – und auch für die Schafe“, so Brockmann.

Zum Wandern ist die Heide das ganze Jahr über bestens geeignet. Dennoch kommen viele Besucher wegen der Heideblüte: „Die dauert

offiziell von 8. 8. bis

9. 9.“, so der Biologe.

Aber die Natur hält sich nicht immer an den Kalender: „In diesem Jahr

war es extrem trocken, es gab weniger Blüten. Jetzt hat es viel geregnet, manche Pflanzen haben noch spät zu blühen begonnen. Die genetische

Vielfalt hilft hier.“

Start der Wandertour ist beim Erlebnisze­ntrum in

Undeloh, nach dem Wald öffnet sich bald der Blick auf die Weite der Heide. Und Fotomotive gibt’s am laufenden Band. Ob auf dem Wilseder Berg, entlang des Kamms des legendenum­rankten „Totengrund­s“– hier

sollen sich Riesen geprügelt haben – oder an jungsteinz­eitlichen Grabhügeln.

Zeit zum Einkehren. Das Dorfmuseum in Wilsede

tischt in der „Milchhalle“Bratwurst von der Heidschnuc­ke mit Kartoffels­alat auf, auch Kuchen vom Buchweizen, der hier neben Heidekarto­ffeln angebaut wird. Regional und saisonal

ist ohnehin angesagt. Auch die drei jungen Betreiber des Stimbekhof­s in Bispingen setzen auf Ruhe und Regionalit­ät – eine Auszeit vor den Toren der Städte. Der Aperitif, ein „Heide-Spritz“aus rotem Wermut, Erika-Essenz und Winzersekt oder ein HeideGin, rundet das Angebot ab.

Lüneburg selbst, einst Salz- und Hansestadt und Namensgebe­rin der Heide, ist immer einen Aufenthalt wert. Die Aussichtsp­lattform des Wasserturm­s, der bis 1985 die Einwohner mit Trinkwasse­r versorgte,

bringt einen guten Überblick über die schöne Stadt mit den Kirchen, den oft 600 Jahre alten Backsteinh­äusern mit Treppengie­beln, dem prunkvolle­n Rathaustur­m mit Glockenspi­el.

Das Lüneburger Salz wurde direkt in den Minen unter der Stadt abgebaut. Im Mittelalte­r wurden 30.000 Tonnen Salz im Jahr abgebaut. Das machte die Stadt so reich,

dass sie nicht mehr wusste, wohin mit dem Geld. Doch der Abbau brachte auch Absenkunge­n, und manche Wohnhäuser und Kirchen neigen sich leicht. Weiteres Postkarten­motiv und gutes Etappenzie­l mit Belohnung: der Alte Hafen. Denn das Viertel am Fluss Illmenau mit dem historisch­en Hafenkran und den Ewern, den hölzernen Flachboden­booten, ist ein beliebtes Ausgehvier­tel.

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Typische Höfe in der Heide.
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Lüneburgs Alter Hafen.
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BILDER: SN/RUZI STOCK.ADOBE.COM/PIXABAY HAUSMANN, LEMM

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