Die Politik ist von den Problemen überfordert
Es ist wesentlich leichter, Placebo-Debatten über Heizpilze oder den Klimabonus für Asylbewerber zu führen, als die dahinterstehenden Probleme zu lösen.
Unsere Sorgen möchte man haben. Wer beobachten durfte, mit welcher Vehemenz hierzulande über jene Heizpilze diskutiert wurde, die in heimischen Gastgärten den Gästen einheizen und den Konsum beleben, der musste unweigerlich den Eindruck bekommen, dass ein
Verbot dieser winterlichen Wärmequellen im Handumdrehen das europäische Energieproblem lösen würde. Kaum ein Politiker, der nicht in Interviews peinlich befragt wurde, wie er zu den Heizschwammerln steht. Kaum ein Twitterer, der nicht in seiner Timeline unzählige in Blockwartmanier aufgenommene Fotos dieser rot glühenden Schanigarten-Heizkörper
vorfand, versehen mit der empörten Aufforderung, das betreffende klima- und volksschädigende Lokal fürderhin zu meiden.
Dabei macht der Energieverbrauch dieser Heizgeräte, wie der „Falter“unter Berufung auf die Energieagentur vorgerechnet hat, nur
0,3 Promille des Wiener Stromverbrauchs aus. Manch Gast, der sich unter den Pilzstrahlen wärmt, mag einen höheren Promillewert aufweisen. Doch einerlei, das Problem Heizpilze wird von Politik und Medien mit einer Ernsthaftigkeit diskutiert, die einer größeren Sache würdig wäre.
Was möglicherweise mit dem Umstand zu tun hat, dass die „größere Sache“nicht so
leicht zu fassen ist. Nach einem Verbot von Heizschwammerln zu rufen ist relativ einfach
und sichert dem Rufer beziehungsweise der Ruferin eine wohlfeile Schlagzeile. Sich den
Kopf über eine energiepolitische Meisterung des bevorstehenden Winters zu zerbrechen ist eine weit komplexere Denksportaufgabe. Wie auch am Ringen der europäischen Regierungen
beziehungsweise der EU um einen Gaspreisdeckel ersichtlich wird. Ein solcher mag sinnvoll sein, wie eine Mehrheit der EU-Staaten vermeint, oder aber kontraproduktiv, wie Österreich, Deutschland und einige weitere Staaten argumentieren. Die Angelegenheit ist schwieriger zu diskutieren und zu lösen als ein Sudoku der kniffligsten Schwierigkeitsstufe. In den
Überlegungen spielen nationale Egoismen ebenso mit wie unvorhergesehene Verwerfungen der Energiemärkte und die Undurchschaubarkeit der Psyche des Kriegsherrn im Kreml. Da bleiben viele Politiker, Medien und Twitterer lieber bei den Heizpilzen.
Und nicht zum ersten Mal seit Anbruch der krisenhaften Zeiten vor bald drei Jahren ist zu konstatieren: Die Politik ist von den herrschenden Problemstellungen überfordert, sie ist am Ende ihrer Weisheit angelangt. Sie steht den
Ausschlägen der Energiemärkte ebenso hilflos gegenüber wie seinerzeit der Explosion der Coronazahlen. Sie kann die Probleme nicht
lösen und schon gar nicht verhindern, sondern allenfalls lindern. Im Fall Corona mit Lockdowns und der Finanzierung der Kurzarbeit.
Im Fall der Energiekrise mit Preisbremsen und
Österreich ist nicht krisenfit
Milliardenförderungen. Das soll nicht kleingeredet werden, denn es hilft den Betroffenen, aber es gleicht der Verabreichung von Aspirin an einen Schwerkranken. Es handelt sich um eine reine Symptomkur.
Das Gleiche gilt für die Asylkrise. Die Palette der diesbezüglichen politischen Nicht-Strategien reicht von der kühnen Behauptung, dass es gar keine solche Krise gebe (Pamela RendiWagner, Sigrid Maurer), bis zur forschen Forderung nach Asylzentren außerhalb Europas (Gerhard Karner), die es freilich aus rechtlichen Gründen so bald nicht geben wird. Auch der Klimabonus für Asylbewerber ist gut genug
für medientaugliche Sager, aber vergleichsweise ein Miniaturproblem und der endlosen Debatte, die sogar zum Rücktritt der ÖVP-Generalsekretärin führte, nicht wert.
All diese Placeboverabreichungen taugen nicht im Mindesten zur Lösung des Problems. Indessen strömen täglich Hunderte Migranten
ins Land, von denen die meisten gar keine Chance auf Asyl haben. Und wer in Rechnung stellt, wie lange es in Österreich dauert, endlich die zwecks Krisen- und Blackoutbewältigung lange geplanten autarken Kasernen zu realisieren oder das seit einem Jahr versprochene Krisensicherheitsgesetz zu beschließen, der ahnt, dass Österreich nicht wirklich krisenfit ist. Was passiert, wenn es einen Hackerangriff auf die österreichische und/oder europäische Infrastruktur gibt, von der Stromversorgung bis zu den Datennetzen, mag man sich
lieber nicht ausmalen. Die Beschädigung der Gaspipelines in der Ostsee war in dieser Hinsicht nur ein müdes Vorspiel. Und schon dieses
Vorspiel schien die betroffenen Regierungen sowie die EU zu überfordern.
Ach ja, ein im Wortsinne brennendes Problem wurde doch gelöst: Die Heizschwammerl dürfen bleiben. Ihre Betreiber riskieren bloß, um die staatliche Stützung der Energiekosten umzufallen.