Die Gegenwart, durch die Brille der Geschichte gesehen
Kleine Anmerkungen zu den Scheinreferenden in der Ostukraine, zum Wahlausgang in Italien und zur Hofburgwahl. „Was geschehen ist, wird wieder geschehen,
was man getan hat, wird man wieder tun: Es gibt nichts Neues unter der Sonne“, lehrt das
Alte Testament. So ist es. So dramatisch die Ereignisse der Gegenwart sind, so offensichtlich sind die Parallelen zur Geschichte.
Man denke nur an die Scheinreferenden in der Ostukraine. Erinnern sie nicht an die „Anschluss“-Volksabstimmung in Österreich im
März 1938? Hier wie dort wollte der Aggressor seinen Einmarsch durch eine scheinbar demokratische Zustimmung der Betroffenen legitimieren. Da wie dort wurde Gewalt eingesetzt
und der Grundsatz der freien, geheimen Stimmabgabe mit Füßen getreten, um eine „überwältigende“Zustimmung zu erzielen. Da
wie dort war die Freude darüber eine inszenierte. Von den berühmten Jubelbildern vom
Wiener Heldenplatz weiß man heute, dass ganze Firmenbelegschaften zwangsweise zum Jubeln abkommandiert wurden, um dadurch
Nazi-Propagandabilder zu erzeugen, die bis
heute immer wieder gezeigt werden. Die, die damals daheim saßen und weinten, und die, die schon auf der Flucht oder in Haft waren, sah man nicht. Und sieht man heute nicht.
Ein anderes Ereignis, bei dem einem unweigerlich die jüngere Geschichte in den Sinn
kommt, ist der Wahlausgang in Italien. Die Postfaschistin Giorgia Meloni wird dort neue Ministerpräsidentin und Europa zuckt mehr oder weniger mit den Achseln. Welch ein Unterschied zum Antritt der schwarz-blauen Regierung im Februar 2000! Damals stand angesichts einer österreichischen Regierung, die unter Mitwirkung Jörg Haiders zustande gekommen war, ganz Europa kopf.
Die anderen EU-Staaten stellten Österreich pauschal unter Faschismusverdacht, verhängten Sanktionen und benachteiligten österreichische Bewerber bei Postenvergaben, bloß
weil sie Österreicher waren. Und heute? Nichts
dergleichen. Weder die Italiener noch die Franzosen, die beinahe schon regelmäßig die Rechtsextreme Marine Le Pen in die Präsidentenstichwahl wählen, müssen irgendwelche Sanktionen befürchten. Große Staaten werden eben anders behandelt als kleine. Auch so ein Grundakkord der Geschichte.
Ein solcher Grundakkord scheint es auch zu sein, dass die Wiederwahlen von Bundespräsidenten in Österreich unweigerlich ins Skurrile abgleiten. Entschließt sich ein amtierender
Bundespräsident zu einem zweiten Antreten, sieht er sich ganz überwiegend nur Spaßkandidaten und Narzissten gegenüber, die fürs eigene Ego kandidieren. Das Staatsoberhaupt kann sich mit solchen Mitbewerbern nicht auseinandersetzen, ohne das Amt zu beschädigen, womit der ganze Wahlkampf ein einziger Krampf
und eine echte Peinlichkeit ist.