Es wird eng für Bolsonaro
Bei der Präsidentschaftswahl in Brasilien hat Herausforderer Lula gute Chancen. Ersten Ergebnissen zufolge kommt es in vier Wochen zu einer Stichwahl.
BRASÍLIA. Bei der Präsidentenwahl
in Brasilien liefern sich der linke Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva und der radikal rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro ersten Ergebnissen zufolge ein enges Rennen. Um 17 Uhr Ortszeit (22 Uhr MEZ) schlossen die Wahllokale und kurz danach liefen die ersten Resultate ein. Auf Basis von knapp unter einem Prozent der abgegebenen Stimmen lag Lula, der Kandidat der
Arbeiterpartei PT, bei rund 41,5 Prozent der Stimmen und Bolsonaro bei 47 Prozent. Für einen Wahlsieg in erster Runde wären 50 Prozent erforderlich. Die anderen neun
Kandidaten landeten weit abgeschlagen. Somit kommt es vermutlich am 30. Oktober zur Stichwahl um das höchste Amt im größten und wichtigsten Land Lateinamerikas.
Die Frage wird sein, wie der radikal rechte Demokratieverächter Bolsonaro und seine militanten und
teilweise bewaffneten Anhänger auf das Ergebnis reagieren werden.
Der Amtsinhaber hatte immer wieder behauptet, er werde in der ersten Runde gewinnen und warf seinen Gegnern und den Institutionen
unterschwellig Wahlbetrug zu seinen Ungunsten vor. „Nur Gott kann mich aus diesem Amt entfernen“,
war einer seiner meistgesagten Sätze.
Diese Wahl war und ist die wichtigste seit der Wiedererlangung der Demokratie in Brasilien vor 37 Jahren. Setzt sich das autokratische rechtsradikale Projekt Bolsonaros noch einmal durch, wird er die Institutionen und damit die Demokratie des Landes weiter zerstören. Gewinnt der altbekannte links-sozialdemokratische Lula, könnte er das Land einen und wieder auf einen Wachstumskurs bringen. Zudem würde er Brasilien wieder in die Weltgemeinschaft führen. Vier
Jahre Bolsonaro haben Brasilien zu einem Paria-Staat gemacht, vor allem wegen seiner Klimapolitik, aber auch wegen seines hassbeladenen und diskriminierenden Kurses gegen Minderheiten und alles Linke.
Bolsonaro und Lula gingen am Sonntagmorgen zur Abstimmung. Der Amtsinhaber wählte in einem
knallgelben T-Shirt in Rio den Janeiro und stellte erneut die Sicherheit der elektronischen Wahlurnen in Frage, die seit 25 Jahren in dem Land ohne Beanstandung genutzt
werden. „Bei sauberen Wahlen soll der Bessere gewinnen, kein Problem“, sagte er.
Lula wählte in São Bernardo do Campo, am Stadtrand von São Paulo, dem Industriegebiet, in dem er einst als Metallarbeiter zu arbeiten
begann. Der 76-Jährige rief die Brasilianer und die politische Gegenseite dazu auf, dem „Hass ein Ende zu setzen“. „Die fanatischsten Bolsonaristas
werden sich der Mehrheit der Gesellschaft anpassen müssen.“Im ganzen Land gingen die Menschen massiv an die Urnen. Mancherorts mussten Wählerinnen und Wähler bis zu drei Stunden warten.
Lula hatte vor allem in den vergangenen Wochen vor der Wahl noch einmal Unterstützer gewonnen. Es gelang ihm, sich zur Mitte zu öffnen und alte Verbündete und ehemalige politische Gegner zu einer breiten Anti-Bolsonaro-Allianz zu formen. Zudem weckte er Erinnerungen an seine ersten beiden
Amtszeiten von 2003 bis 2011, als es Brasilien deutlich besser ging und „die Menschen glücklicher waren“. Prominente aus Film, Fernsehen,
Kunst und Kultur riefen bis kurz vor der Abstimmung zur Stimmabgabe für den Linksbewerber auf. Bolsonaro hingegen konnte nur auf die öffentliche Wahlempfehlung eines
Prominenten zählen: Fußballstar Neymar Jr.
Wähler mussten teils stundenlang anstehen