Es wird Licht auf dem Domberg
Nach neun Jahren Sanierung öffnet das Diözesanmuseum Freising wieder – und überzeugt mit neuen Ausstellungskonzepten.
FREISING. Was für ein Auftakt – licht und weit! Wenn man früher, hoch über Freising bei München, ins Diözesanmuseum eintrat, nahm einem das beengte Foyer immer ein bisschen den Schwung vom Aufstieg auf den Domberg. Aber jetzt ist alles drei Mal so groß. Mindestens. Wände sind gefallen und der Blick geht
gleich noch weiter in den riesigen Lichthof, von dem man vorher nur einen Spalt sehen konnte.
Dort mögen sich Bayerns Denkmalpfleger über den Verlust der alten Holzdecke grämen. Dass das dunkle Dach nicht angemessen rekonstruiert werden konnte, ist vielmehr ein Segen. Immerhin sind die Strukturen der Kassetten übernommen, Kompromisse müssen halt sein. Doch auch darauf hätte man – optisch – verzichten können, um
noch mehr Leichtigkeit in diesen Lichthof zu bringen.
Sei’s drum, man schaut selbst im frommen Freising nicht dauernd zum Himmel und wird sowieso von einem ganz anderen Zauber abgelenkt: Vis-à-vis vom Eingang hat James Turrell die ehemalige Hauskapelle in einen Lichtraum verwandelt. Man badet in sanftem Gelb, Pink, Lila, dass das Auge kaum mehr ermessen kann, wo Grenzen
verlaufen oder vielleicht schon die Unendlichkeit begonnen hat.
„Eine Kapelle für Lukas und seinen Schreiber Lucius von Kyrene“nennt der US-Künstler (der 2006 auf dem Salzburger Mönchsberg seinen „Sky-Space“verwirklicht
hat) dieses hyperästhetische Energiezentrum, und man realisiert auch schon die Erleuchtung und den Drang dieser frühen Vertreter der Christenheit, die frohe Botschaft in die Welt hinauszustrahlen.
Doch egal, was einem in den Sinn kommt: Das Bekenntnis zur zeitgenössischen Kunst ist bei der Wiedereröffnung des Hauses nach neun Jahren Generalsanierung unübersehbar. Und mit Werken von
Anselm Kiefer, Berlinde De Bruyckere oder Neo Rauch funkt die Gegenwart längst durch die 1700 Jahre umfassende Sammlung, die zu den größten kirchlichen der Welt gehört. Direktor Christoph Kürzeder hat das nonchalant forciert.
Was allerdings noch fehlt, ist Kiki Smiths „Mary’s Mantle Chapel“, ein
kleiner Sakralraum auf der Westterrasse des Museums, den die New
Yorkerin im nächsten Frühling gestalten wird. Überhaupt hätten ein
paar weitere Wochen gutgetan, um das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sowie die Einrichtung der Schausammlung ohne Herzkasper
fertig zu bekommen. Aber wie das so ist, was lange dauert, muss am
Ende besonders schnell gehen.
Jedenfalls funktioniert das Prinzip der „geöffneten Wände“. Der über die Jahre immer wieder umgebaute Komplex ist nach den Plänen des Architekturbüros Brückner &
Brückner deutlich entschlackt worden. Das hat zum einen großzügigere Räume samt Bar und Besucherbibliothek beschert. Zum anderen erlauben Durch- und Ausblicke interessante Objektbezüge und sinnstiftende Sichtachsen. Auch in die
Umgebung. Und das kann gerade
bei dieser oft sehr mit der Landschaft und dem Brauchtum verbundenen Kunst einigen Charme entwickeln. Etwa wenn sich neben der Himmelskönigin Maria der blaue Himmel über der Stadt auftut.
2500 Quadratmeter Ausstellungsfläche bieten Platz für die ständige Sammlung, von der freilich nur ein Bruchteil der rund 40.000 Objekte sowie wechselnde Präsentationen gezeigt werden können. Zum Start am Sonntag ist das
gleich eine ambitionierte Sonderschau über „Leben und Glauben im
Schatten des Vesuv“mit dem Titel „Tanz auf dem Vulkan“. Aktueller
geht’s kaum, die Bedrohung durch Naturkatastrophen ist längst im sicheren Europa angekommen.
Auch die Dauerausstellung ist unter sehr heutigen Fragestellungen konzipiert. Kürzeder und sein Team haben auf Epocheneinteilungen verzichtet und Themen wie die „Menschwerdung“und damit die
Geburt, das „Verlorene Paradies“
beziehungsweise die „Sehnsucht nach Erlösung“oder „Maria“und mit ihr das Frauenbild aufgefächert. Die Exponate reichen von der winzigen Betnuss mit Szenen aus dem Leben der heiligen Anna
bis zum berühmten Freisinger Lukasbild, einer um 1000 entstandenen byzantinischen Marienikone, die in einen prachtvollen Silberaltar eingesetzt ist.
Kürzeder will den „Menschen ein lebendiges, bis heute relevantes Erbe vermitteln“. Und Denkanstöße geben. Das ist ihm in
Ausweichquartieren mit bemerkenswerten Ausstellungen gelungen – und das darf der leidenschaftliche Vermittler nun wieder in einem neuerdings offenen, zu Gesprächen anregenden Museum tun. Dafür sind die
73,8 Millionen Euro gut angelegt.
Die Idee der „geöffneten Wände“zeigt Wirkung