Apropos Hofburg: Sag mir, wo die Plakate sind ...
Was ist das für ein Wahlkampf, in dem man nicht allen Kandidaten eine Zahnlücke malen kann?
Schärfste Kritik am leider zu Ende gehenden Bundespräsidentenwahlkampf kommt von der ÖMV, der Österreichischen Masochistenvereinigung. Erstens wird bekrittelt, dass der Wahlkampf viel zu kurz war und mindestens um einen zweiten Wahlgang und eine Wahlwiederholung erweitert gehört. Und zweitens, dass es viel zu wenige Wahlplakate gab.
Diese Kritik der heimischen Masochistenvertreter ist gut nachzuvollziehen. Denn wie kann es sein, dass es Alleebäume, Hausecken und Kreisverkehre gibt, wo kein einziges HofburgWahlplakat zu sehen ist? Kein einziges charaktervolles Staatsoberhauptgesicht? Kein einziger
gedankenschwerer Wahlslogan? Das ist doch Betrug am schauenden Bürger!
Nur zwei der Kandidaten erfüllen ihre verdammte Pflicht der optischen Omnipräsenz und ein dritter – Dominik Wlazny – kommt ihr
wenigstens partiell mit sieben Dreiecksständern auf der Wiener Mariahilfer Straße nach.
Aber die vier anderen Kandidaten – komplette Plakat-Fehlanzeige!
Auch als Nicht-ÖMV-Mitglied muss man das demokratiepolitisch bedenklich finden. Denn der Mensch ist nun einmal ein Augenwesen.
Bitte, bei Wahlen unter Hunden wäre das anders. Hunde sehen mit der Nase, heißt es, also
würden Hundekandidaten auch keine Plakate aufhängen, sondern ihr Geruchsbild und ihre
Wahlbotschaften („Holen wir uns unsere Freiheit zurück!“, „Für eine Politik ohne Maulkorb!“) in flüssiger Form an die Hausecken träufeln, von wo sie der Hundewähler dann mit der Nase ablesen könnte.
Der Mensch hingegen setzt aufs Auge. Also möchte er die Kandidaten sehen. Erst dann
weiß er, ob er sie riechen kann. Diese Dominanz des Optischen geht so weit, dass die Wissenschaft sie für geradezu wahlentscheidend hält. Es gibt Studien, bei denen Kindern die
Wahlplakate aus wildfremden Ländern gezeigt
wurden und man sie raten ließ, welcher Kandidat die Wahl für sich entscheiden wird. Und Überraschung: Obwohl die Kinder keine Ahnung hatten, wer für welche Partei antrat und
wie die Ausgangsposition lautete, lagen sie mit ihrer Vorhersage näher am tatsächlichen Wahlergebnis als die professionellen Demoskopen
mit ihren Umfragen. Das heißt, man sieht dem Sieger seinen Sieg offenbar am Gesicht an.
Aber was ist, wenn vier von sieben Kandidaten gar kein Plakatgesicht haben, sondern sich das Los der Gesichtslosigkeit teilen?
Nicht nur der schauende Bürger wird dadurch in seinem Grundbedürfnis nach durchgeistigten Charakterköpfen beschnitten. Nein, auch die Gilde der Bärtchen- und Zahnlückenmaler klagt über drastisch eingeschränkte Betätigungsfelder. Kurz gesagt: Wir fordern eine Plakatoffensive im Wahlkampffinale!