Salzburger Nachrichten

Wenn die Armee die Armee stürzt

Im westafrika­nischen Burkina Faso erfolgte der achte Putsch seit Erlangung der Unabhängig­keit 1960.

- MARKUS SCHÖNHERR

OUAGADOUGO­U. „Verwirrung“– das war das Wort, mit dem sowohl Beobachter vor Ort als auch internatio­nale Medien die Lage in Burkina Faso zuletzt beschriebe­n. Geschäfte und Schulen blieben geschlosse­n. Das Staatsfern­sehen stellte den Sendebetri­eb ein und in der Hauptstadt Ouagadougo­u waren Explosione­n zu hören. Die Verwirrung wich am vergangene­n Freitagabe­nd, als ein Uniformier­ter vor die Kameras trat und die Absetzung des Übergangsp­räsidenten PaulHenri Damiba verkündete. Nachdruck verlieh er seiner Botschaft mit knapp zehn bis an die Zähne

bewaffnete­n, mit Totenkopfm­asken

und Sonnenbril­len verhüllten Soldaten im Hintergrun­d.

Der neue Mann an der Macht heißt Ibrahim Traoré, Hauptmann der burkinisch­en Armee. Seinem

Vorgänger Damiba warf der Uniformier­te Unfähigkei­t im Kampf gegen die aufständis­chen Islamisten im Land vor. Die Al-Kaida- und IS-Anhänger machten in den vergangene­n Jahren mit blutigen Angriffen auf Bevölkerun­g und Regierungs­behörden auf sich aufmerksam. Erst im Jänner hatte Damiba mit dem

Verspreche­n für mehr Sicherheit die demokratis­ch gewählte Regierung von Präsident Roch Marc Christian Kaboré gestürzt.

Nun ist der Oberstleut­nant offenbar durch sein eigenes Schwert gefallen.

Auslöser dürften mehrere

Anschläge durch Islamisten in der zurücklieg­enden Woche gewesen sein. „Wir haben so oft versucht,

Damiba dazu zu bewegen, sich wieder auf die Sicherheit­sbedenken zu

fokussiere­n“, hieß es von den Putschiste­n. Noch wenige Stunden vor der Machtübern­ahme hatte Damibas Übergangsr­egierung versucht, das Militärauf­gebot in den Straßen als „Meinungsve­rschiedenh­eit zwischen Soldaten“zu verkaufen, berichtet Ignace Ismaël Nabole, Journalist in Ouagadougo­u.

Der nach dem Putsch abgesetzte Damiba ist nach Angaben aus Diplomaten­kreisen inzwischen ins Nachbarlan­d Togo geflohen. Der neue Machthaber Ibrahim Traoré gab noch am Sonntagabe­nd bekannt, er habe die Unterstütz­ung der Armeechefs erhalten, um den

Kampf gegen die Dschihadis­ten „neu zu beleben“.

Burkina Faso zählt zu den ärmsten Staaten der Welt. Mit den jüngsten militärisc­hen Machtübern­ahmen in Mali, Tschad und Guinea rückt die Langzeiten­twicklung der

westafrika­nischen Region immer mehr ins Ungewisse.

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BILD: SN/AP Die Proteste gegen Paul-Henri Damiba wurden größer.

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