Energie zu teuer: Viele geben ihre Exoten ab
Die Lage in Tierheimen ist angespannt, Reptilienzoos haben bereits Aufnahmestopps verhängt. Viele Schlangen, Eidechsen und sonstige Wildtiere könnten den Winter nicht überleben.
WIEN, KLAGENFURT. „Zahlreiche Schlangenbesitzer geben schon ihre Tiere ab,
weil sie sich die Haltung nicht mehr leisten können“, erzählt die Gerichtssachverständige Helga Happ, die in Klagenfurt auch einen
Reptilienzoo betreibt. Die beiden Männer, die sich zuletzt hilfesuchend an sie gewendet hätten, zögen in kleinere Wohnungen um, die sie finanzieren könnten. „Für die Schlangen ist dort kein Platz, sie können sie nicht mitnehmen.“
Happ zufolge haben sich vor 20 Jahren noch jährlich 10 bis 15 Besitzer, die ihre Exoten loswerden wollten, bei ihr gemeldet, jetzt sind es zwischen 400 und 600. „Aber wir sind keine Auffangstation. Wir müssen die Tiere so schnell wie möglich weitergeben. Früher war das leicht zu verkraften, heute wird die Vermittlung immer schwieriger. „In Österreich haben die meisten Zoos Aufnahmestopps verhängt. Es
würde ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen.“Sie vermittelt die Reptilien zumeist an andere Zoos im ehemaligen Ostblock weiter. Und an die größten Wildtierhändler Europas – auf diese Weise kommen die unerwünschten Exoten
wieder zurück in den Handel. Die schlechtere Alternative wäre, dass die Tiere irgendwo ausgesetzt oder weggeworfen werden. Entweder sie verenden dann qualvoll oder sie werden als Fundtiere Angelegenheit der Behörde. „Gibt es keinen geeigneten Platz, dann hat die Behörde für die schmerzlose Tötung zu sorgen“, sagt Happ.
Sie kritisiert, dass Reptilien in der Anschaffung viel zu preisgünstig seien. Kostete eine Riesenschlange
vor 20 Jahren noch 2000 Euro, so sind es heute wegen der vielen Nachzuchten in Europa nur mehr 20 Euro. Viele Käufer bedenken nicht, ob sie sich die Haltung leisten können und ob sie entsprechende klimatische Bedingungen für die
Exoten schaffen können. Schlangen
und Eidechsen benötigen Bodenheizung, UV-Lampen und Wärmelampen, aber auch eine kühlere Ecke mit hoher Luftfeuchtigkeit. Die Kärntnerin hat die täglichen Kosten ausgerechnet: Bei einer Natter kommt man auf 6 Euro, bei einer Riesenschlange auf knapp 8 Euro, eine Vogelspinne verursacht tägliche Kosten von 3,5 Euro und eine
Echse 15 Euro. Laut Tierschutzombudsstelle Wien benötigt eine Bartagame (Echsenart) rund 1,5 Kilowattstunden (kWh) pro Tag im Terrarium für die Grundbeleuchtung, die den Sonnenplatz imitiert. Die Winterruhe abgezogen, liegt der Energieverbrauch für das Tier
pro Jahr bei rund 450 kWh.
Eine Schätzung, wie viele Österreicher
zu Hause Exoten halten, ist schwierig. In Wien sind offiziell 2139 Wildtierhalter registriert. Aber die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Tiere ist hoch. Tierschutzombudsstellen-Leiterin Eva Persy meint: „Exotische Wildtiere in Privathaltung führen ein Schattendasein in den Haushalten. Oftmals wird ihre Existenz und die Überforderung mancher Halter erst bemerkt, wenn es zu spät ist – etwa, wenn wieder mal eine ausgesetzte Schlange in einem Wiener Park gefunden wird.“
Was sich bei Hunden bewährt hat, adaptiert die Stadt Wien mit Jahresbeginn 2023 auf Exoten: Sie führt einen in Österreich bislang einmaligen verpflichtenden Sachkundenachweis für Reptilien, Amphibien und Papageien ein. Tierbesitzer müssen dann einen vierstündigen Sachkundekurs (Preis 40 Euro) absolvieren,
bei dem sie Grundkenntnisse über Herkunft, Haltung und Pflege der Tiere erhalten. „Wien setzt mit der Exotenkunde einen neuen Standard für eine verantwortungsbewusste Tierhaltung“, betont Tierschutzstadtrat
Jürgen Czernohorszky.