Salzburger Nachrichten

An der Grenze des Vertretbar­en

- Inge Baldinger INGE.BALDINGER@SN.AT

Man stelle sich vor: Eine SPÖgeführt­e Regierung hätte in den

vergangene­n Jahren die kleinsten Pensionen mehrmals deutlich aufgewerte­t. Sie wäre es gewesen, die deren Bezieherin­nen und Beziehern heuer – abseits all der anderen Hilfen gegen die

davongalop­pierende Teuerung – 600 Euro netto zusätzlich auszahlen ließ. Und nun hätte sie eine nach finanziell­er Bedürftigk­eit gestaffelt­e Pensionser­höhung für 2023 verkündet, die für Mindestpen­sionisten ein Plus im Wert von gut zehn Prozent bedeutet. Jede Wette: Der Jubel wäre groß gewesen.

Die SPÖ regiert aber seit Jahren nicht mehr mit und entspreche­nd empört ist sie wieder

einmal. Die Regierung schaue zu, wie Menschen mit kleinen

Pensionen verarmen, schimpfte sie. Dieses ständige Schlechtre­den wird, selbst wenn man berücksich­tigt, dass es Aufgabe der Opposition ist, die Regierung in die Mangel zu nehmen, schön langsam mehr als unredlich. Zumindest für eine einst staatstrag­ende Partei.

ÖVP und Grüne sind bei der Pensionsan­passung 2023 an die Grenzen des Vertretbar­en gegangen. Zugleich haben sie sich

bemüht, durch eine – übrigens in früheren Jahren auch von der SPÖ immer wieder gewählte – Mischform aus prozentuel­lem

Plus, Fixbeträge­n und Einmalzahl­ungen den ohnehin immer

gewaltiger werdenden Druck aufs Pensionssy­stem nicht extrem steigen zu lassen. Schließlic­h muss es für die Erwerbstät­igen, an denen die Teuerung ja auch nicht spurlos vorbeigeht, irgendwie finanzierb­ar bleiben.

Eine Pensionser­höhung, die für den Großteil ein Plus deutlich jenseits des gesetzlich­en

Anpassungs­faktors bedeutet, ist jedenfalls nichts, wofür sich eine Regierung genieren müsste; und weit entfernt von der

von der FPÖ ausgemacht­en „eiskalten Enteignung“.

Und: Die Pensionser­höhung 2023 ist ja nur der Vorbote für die nächste Pensionsan­passung. Die kann nur noch höher ausfallen, weil der Berechnung­szeitraum dann die Monate August 2022 bis Juli 2023 sind – also all die Monate mit extrem hohen Inflations­raten. Man kann nur hoffen, dass die Teuerung bis dahin wirklich nachlässt. Andernfall­s wird’s für die langfristi­ge Finanzierb­arkeit des Pensionssy­stems, um die sich seit vielen Jahren jede Regierung drückte, deutlich früher kritisch.

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