Lokalaugenschein in einem Schutzraum
Ein gemütliches Kellerstüberl sieht anders aus. Kein Fenster, eine schwere Eisentür, Holzregale, die als Betten dienen.
EICHGRABEN. Peter Stehlik wohnt mit seiner Frau nur ungefähr 30 Kilometer westlich von Wien. Und doch steht sein Haus so gut versteckt an den Ausläufern des Wienerwaldes, dass ein Fremder dort sicher nicht hinfindet. Was die Familie natürlich nicht vor einer Strahlenkatastrophe schützen würde. Für diesen Fall hat der begeisterte Funktionär des Niederösterreichischen Zivilschutzverbandes in seinem Keller vorgesorgt.
Vorbei an einem urigen Kellerstüberl mit Bar und diversen Sorten an Bierflaschen geht es in eine unwirtlichere, unterirdische Ecke, wo eine schwere Eisentür Kunde tut, was auf den Besucher wartet: ein vollwertiger Schutzraum, mehr als 11 Quadratmeter groß, in dem sich
bis zu sechs Personen tagelang aufhalten können. Im Gegensatz zur Kellerbar wirkt der schalldichte Raum ohne Fenster und mit dicken Wänden gar nicht gemütlich.
Einige Holzregale, auf denen Matratzen und Decken liegen, dienen im Ernstfall als Stockbetten. Mehrere Kanister für Trinkwasser und Abwasser sind ebenso vorhanden, wie ein danebenliegendes Waschbecken, das man notfalls einhängen
könnte. Nicht zu vergessen ein Radio (mit Batterie oder Kurbel), ein
Trockenklo, eine Gaskartusche und ein kleiner E-Herd mit zwei Kochplatten. „Es ist wie beim Zelteln. Da gibt es auch kein Fließwasser“, erzählt der 78-Jährige.
Übernachtet hat Stehlik darin noch nie. „Ich möchte den Raum gar nicht nutzen müssen. Das ist
wie bei einer Versicherung, wo man auch froh ist, wenn nichts passiert.“Testhalber hat der Zivilschützer vor
vielen Jahren einmal zwei Wochen mit insgesamt 15 Personen in Wien zugebracht. Stehlik spricht von „Belegungsversuchen in Musterschutzräumen“: „Es war hart. Heiß und stickig, aber es ist machbar. Der Luftaustausch war gegeben.“
Apropos. Das Herzstück des Raumes ist der Kurbelbelüfter, der sowohl mit Strom wie auch händisch
betrieben werden kann. Dieser saugt durch einen Sandfilter gereinigte Außenluft hinein. Dadurch entsteht im Schutzraum ein leichter
Überdruck, der durch ein Überdruckventil möglichst konstant gehalten wird. „Das Eindringen verunreinigter Luft in den Schutzraum und das Einatmen von Schadstoffen wird so verhindert“, erzählt Stehlik.
Das Bier steht oben auf der Kellerstiege. Die Essensvorräte (Dosen und Kaffeepackungen) sowie die Kühltruhe außerhalb des Schutzraumes könnten aber binnen kurzer Zeit dort hineinverfrachtet werden. Für den Zivilschützer gilt als
wichtige Faustregel: „Drei Minuten ohne Sauerstoff sind ein Problem.
Drei Tage ohne Flüssigkeit sind ein Problem. Und drei Wochen ohne Nahrungsmittel sind ein Problem.“
Der 78-Jährige gehört zu jenen
Österreichern, denen die Bauordnung beim Hausbau noch einen strahlen-, brand- und trümmersicheren Raum im Keller vorschrieb. Das war in den 1970erJahren und dem Kalten Krieg geschuldet. Denn damals war das Bedrohungsszenario mit Atomwaffen hoch. In den 1990er-Jahren wurde die Regelung wieder aufgehoben. Wenngleich Wladimir Putin in der Ukraine mit einem Atomwaffeneinsatz droht,
hofft Stehlik nicht, dass er auf diesen „Notbetrieb“umsteigen
muss. „Wichtig ist die Vorsorge. Krisenmanagement für sich und seine Familie ist eine Holschuld
jedes Einzelnen und nicht eine Bringschuld der Behörde.“