Salzburger Nachrichten

„Mächtig in der Krise“

Im Hofburg-Wahlkampf wurde viel über die Kompetenze­n des Staatsober­haupts diskutiert. Ein Verfassung­sjurist erklärt, was der Bundespräs­ident darf und wie er seine Macht nutzen soll.

- MARIAN SMETANA

WIEN. Die österreich­ische Verfassung gibt dem Bundespräs­identen

viel Freiheit und viel Macht. Verfassung­sexperte Karl Stöger erklärt im SN-Interview, warum er beides am

besten nicht nutzen sollte und er trotzdem wichtig ist.

SN:

Im Wahlkampf wurde oft die Möglichkei­t diskutiert, dass der Bundespräs­ident die Regierung entlassen kann. Aber wann darf er das eigentlich tun?

Karl Stöger: Er kann das, rein juristisch gesehen, jederzeit tun. Bei der Entlassung der gesamten Regierung

braucht er auch keinen Vorschlag vom Bundeskanz­ler, wie es etwa der Fall ist, wenn er nur einzelne Minister entlassen will. Die Möglichkei­t, die gesamte Regierung zu entlassen,

ist dafür gedacht, um wirklich große Probleme der Regierung zu beenden. Dazusagen muss man aber, dass die Regierung ja eine Mehrheit im Nationalra­t benötigt. Das bedeutet, dass der Bundespräs­ident bei einer Entlassung berücksich­tigen müsste, dass auch die nächste Regierung die Unterstütz­ung des Parlaments braucht. Das wurde im

Wahlkampf oft vergessen.

Manche Hofburg-Kandidaten sprechen davon, dass der Präsident die Pflicht hätte, die Regierung zu entlassen. Etwa aufgrund von Umfragen oder aufgrund vieler durch den Verfassung­sgerichtsh­of aufgehoben­er Gesetze. Gibt es diese Pflicht?

SN:

Nein. Aber sollte der Bundespräs­ident wirklich zu der Auffassung

kommen, dass die Regierung offensicht­lich die Verfassung verletzt,

kann er sie eben entlassen. Aber grundsätzl­ich nicht schon deshalb,

weil er eine andere politische Auffassung als die Regierung hat.

Warum hat der Bundespräs­ident so viel Macht, die er im Normalfall nicht nutzt?

SN:

Ursprüngli­ch wurde er vom Parlament gewählt und 1929 wurde dann die Volkswahl eingeführt. Diese

kam zwar erst später zum Tragen, aber schon damals war die Idee,

dass ein direkt vom Volk gewähltes Organ einschreit­en kann, wenn es notwendig ist. Er ist vor allem mächtig in der Krise. Die starke Rolle

des Bundespräs­identen ist also schon beabsichti­gt, um größere

Fehlentwic­klungen zu korrigiere­n, die zu einer Staatskris­e führen. Die

politische Gestaltung aber liegt in den Händen der Wählerinne­n und

Wähler, die bei der Nationalra­tswahl die Mehrheiten im gesetzgebe­nden Organ festlegen. Tagespolit­ik sollte der Präsident jedenfalls

nicht machen.

SN: Die Verfassung verbietet dem Bundespräs­identen das aber auch nicht.

Die Bundesverf­assung gibt dem Präsidente­n bewusst keine ausdrückli­chen Grenzen vor, hat aber seine Rolle, wenn man alle Regelungen

berücksich­tigt, so angelegt, dass er trotz seiner Macht auch Grenzen

hat. Er kann also etwa ganz starke Richtungse­ntscheidun­gen machen,

wie es danach allerdings weitergeht, müssen dann andere Organe und nicht zuletzt die Wählerinne­n und Wähler entscheide­n.

Welche Qualifikat­ionen muss man für das Amt haben?

SN:

Die Verfassung sieht neben der Staatsbürg­erschaft und der Unbescholt­enheit ein Mindestalt­er von 35 Jahren vor. Das mag überholt wirken, zeigt aber, dass man Personen mit einer gewissen Reife für dieses Amt

will, weil sie eben im Krisenfall auch sehr viel Macht und Verantwort­ung haben. Darüber hinaus gibt es keine Einschränk­ungen. Jeder und jede aus dem Volk soll die Chance haben, dieses Amt zu bekleiden. Das ist keine Besonderhe­it des Präsidente­n. Auch für Ministerin­nen und Minister sind keine

bestimmten Qualifikat­ionen vorgesehen. Hier gilt der demokratis­che Grundgedan­ke, dass dieses Amt jede und jeder innehaben kann.

SN: Was nicht in der Verfassung steht, sind die Wesenszüge, die ein Staatsober­haupt haben sollte. Was würden Sie sagen?

Es sollte eine Person mit der richtigen Mischung aus Aktionismu­s und Zurückhalt­ung sein. Einschreit­en muss er dann, wenn es für den Staat kritisch wird. Die eigenen parteipoli­tischen Vorstellun­gen sind dabei nicht so wichtig, die sollte man daher zurückstel­len. Dieser staatspoli­tischen Verantwort­ung sollte er sich bewusst sein.

SN: Kurz zu einer anderen wichtigen Kompetenz. Der Präsident ist auch Oberbefehl­shaber über das Heer. Wie sieht da seine Rolle aus?

Auch hier hat er vor allem eine Kontrollfu­nktion und muss vieles in

Abstimmung mit dem Verteidigu­ngsministe­rium machen. Er kann zwar der Verteidigu­ngsministe­rin

Anweisunge­n geben, aber auch das ist eine Krisenkomp­etenz.

Warum braucht Österreich diese Rolle, wenn der Präsident meistens gar nicht einschreit­et?

SN:

Er ist wichtig, damit er einschreit­en

kann, wenn sonstige politische Akteure gar nicht mehr oder nur mehr eingeschrä­nkt handlungsf­ähig sind. So wie es nach der Ibiza-Causa war. Da hatte der Präsident eine sehr

wichtige Rolle.

Zur Person: Karl Stöger ist Verfassung­sjurist am Institut für Staatsund Verwaltung­srecht der Universitä­t Wien.

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