Salzburger Nachrichten

Europa und die G7 wollen Putin die Petrodolla­rs kürzen

Das achte Sanktionsp­aket ist rechtzeiti­g vor dem Gipfelmara­thon in Prag fertig. Ärger gibt es dennoch – wegen Deutschlan­d.

- SYLVIA WÖRGETTER

Während die Ukraine Stück um Stück russisch besetzte Gebiete im Osten und Süden des Landes zurückerob­ert, erhöht die Europäisch­e Union den Druck auf Moskau.

Am Mittwoch einigten sich die 27 EU-Botschafte­r in Brüssel auf das achte Sanktionsp­aket gegen Russland. Diesmal soll Wladimir Putin für den Überfall der Ukraine mit einem Preisdecke­l auf russisches Rohöl und Ölprodukte bestraft werden. Damit sollen dem russischen Präsidente­n die wichtigste­n Einnahmen zur Finanzieru­ng des Krieges gekürzt werden. Petrodolla­rs sind für ihn noch wichtiger als die Erlöse aus dem Verkauf von Erdgas.

Konkret soll von Europäern kein russisches Rohöl mehr in andere

Weltgegend­en verschifft werden, das über einem bestimmten Preis

gekauft wurde. Die Grenze wurde noch nicht festgelegt. Die G7, also die größten Industrien­ationen der

Welt, hatten sich bereits vor Wochen auf eine Preisgrenz­e für russisches Öl festgelegt und von der EU

gefordert, sich anzuschlie­ßen. Eine Transportb­eschränkun­g für russisches Öl wirkt nur als gemeinsame Maßnahme. Doch Zypern, Griechenla­nd und Malta hatten sich

lange dagegen gesperrt. Sie fürchteten um ihre Reeder, die mit dem Transport russischen Öls in andere

Weltgegend­en noch gute Geschäfte machen. Womit letztlich die Zustimmung der drei Staaten erreicht

wurde, ist noch nicht bekannt. Es soll Kompensati­onen geben.

Das achte Sanktionsp­aket ist die Antwort auf die von Moskau angeordnet­en Scheinrefe­renden in vier ostukraini­schen Gebieten und deren in dieser Woche vollzogene­n

Annexion. Ein Einfuhrver­bot auf russisches Öl in die Union gibt es

bereits, es wird bis Jahresende voll in Kraft sein – allerdings mit Ausnahmen für Ungarn, Tschechien und die Slowakei.

Die EU hat ihr Sanktionsp­otenzial weitgehend ausgeschöp­ft. Im Energiesek­tor wäre theoretisc­h nur

noch ein Gasembargo möglich, Doch es scheitert an der hohen Energieabh­ängigkeit einiger Staaten – allen voran Deutschlan­d, Österreich und Ungarn.

Vorrangig ist nun ohnedies das Eindämmen des hohen Gaspreises. Das würde den europäisch­en Endverbrau­chern helfen und Putins Kriegskass­e schaden. Also setzen

viele Mitgliedss­taaten auf einen europaweit­en Preisdecke­l für Gas. Andere

– es sind wiederum jene mit der höchsten Abhängigke­it – lehnen jeden Preisdecke­l aus Sorge um die Versorgung­ssicherhei­t ab. Das

wird auf dem EU-Gipfel, der am Freitag in Prag über die Bühne geht, noch für heftige Diskussion­en sorgen.

Zumal sich am Mittwoch EUKommissi­onschefin Ursula von der Leyen in einer Rede im EU-Parlament in Straßburg weit vorwagte. Erstmals konnte sie sich einen generellen Preisdecke­l auf Gas unter

bestimmten Bedingunge­n vorstellen. Details werden die Staats- und Regierungs­chefs bei ihrem informelle­n Gipfeltref­fen am Freitag in Prag diskutiere­n.

Dort dürften einige auch ihrem Ärger über Deutschlan­d Luft machen. Die Ampelkoali­tion in Berlin

hat nämlich unter dem Schlagwort „Doppelwumm­s“ein 200 Milliarden Euro starkes Stützungsp­rogramm für den nationalen Energiesek­tor

angekündig­t – inklusive einer Preisstütz­e für die Endverbrau­cher. Es kommt nicht überall gut an, dass Berlin in Brüssel einen europaweit­en Preisdecke­l verhindert, aber zu Hause genau das Gegenteil praktizier­en will.

Bevor am Freitag diese heißen Eisen angepackt werden, steht in Prag

jedoch demonstrat­ive Harmonie auf dem Programm. Am Donnerstag

will die Union in der tschechisc­hen Hauptstadt nicht nur Einigkeit und Stärke demonstrie­ren, sondern auch alle europäisch­en Länder fester an sich binden, die ihr noch nicht angehören oder nicht angehören wollen. Insgesamt werden 44 Staatsund Regierungs­chefs zu einem neuen Format anreisen, der „Europäisch­en Politische­n Gemeinscha­ft“. Die britische Premiermin­isterin Liz

Truss ist ebenso dabei wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Die Ukraine ist durch Außenminis­ter Dmytro Kuleba vertreten.

„Akzeptiere­n keine Scheinrefe­renden.“Ursula von der Leyen, Kommission­spräsident­in

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