So könnte es gewesen sein
Der Actionfilm „The Woman King“handelt von einer legendären Einheit afrikanischer Kriegerinnen – und schmiedet sich die Vergangenheit zurecht.
WIEN. Es war einmal eine tapfere Generalin namens Nanisca (gespielt von Oscar-Preisträgerin Viola Davis), die Anführerin der Agojie, einer Gruppe legendärer Kriegerinnen im Königreich Dahomey. Die
Agojie waren die Beschützerinnen des Königs, eine Elitetruppe, die nicht heiraten durften, dafür aber
besondere Vorteile genossen. Ihre Kampfkraft wurde dringend benötigt, denn das Königreich auf dem Gebiet des heutigen Benin war verfeindet mit seinen Nachbarn.
Um diese Kriegerinnen geht es in „The Woman King“von Gina
Prince-Bythewood: Es ist das Jahr 1823, Krieger aus dem benachbarten
Reich Oyo haben Männer und Frauen aus Dahomey entführt, um sie an europäische Sklavenhändler zu verkaufen. Im letzten Moment kommen die Agojie, um ihre Landsleute zu befreien. Für König Ghezo (John Boyega) ist klar: Nun herrscht Krieg.
Ihren eigenen Kampf hat unterdessen die 19-jährige Nawi (Thuso Mbedu) auszufechten: Ihr Ziehvater
will sie gewinnbringend verheiraten, doch ihr reicher Bräutigam prügelt sie schon beim Kennenlernen.
An den König für seine Agojie-Leibgarde verschenkt zu werden, ist die
bessere Alternative, obwohl Nawi weiß, es wartet eine harte Ausbildung auf sie – und die erzählt
Prince-Bythewood ganz klassisch.
Natürlich tut sich Nawi unter den Kameradinnen hervor, natürlich wird ihr Vorwitz bestraft. Doch Nawi ist keine übliche Rekrutin. Zwischen ihr und Nanisca entsteht eine
besondere Beziehung, sei es die Begabung für Nahkampf, die Furchtlosigkeit oder die gewaltvolle Vergangenheit, die beide verbindet.
„The Woman King“ist ein spektakuläres Kriegerinnenmärchen
über Wagemut und bedingungslose Loyalität etwa vom Format eines „Braveheart“, mit aufwendigen
Schlachteninszenierungen, mit Macheten, Speeren, Gewehren und
bloßen Händen. Nur Teile davon sind erfunden, die Generalin Nanisca etwa hat es so nicht gegeben, auch die Romanze zwischen der
jungen Nawi und einem Portugiesen
ist etwas konventionell dahergeschrieben. Den kriegshungrigen König Ghezo und seine Agojie allerdings gab es, und auch die Art der Kriegsverbrechen, die Nanisca
überlebt hat, und die Methode der Rekrutierung von Nawi ist authentisch. Die Lebensweise der Kriegerinnen im Palast, abgeschieden von der Bevölkerung, ist ebenso belegt, als „afrikanische Amazonen“waren sie im 19. Jahrhundert Faszinosum
für die Briten, und die Dora Milaje, die Leibgarde des Königs von Wakanda im Comic „Black Panther“,
beruht auf den Agojie. Wie „The Woman King“schildert, war das historische Dahomey tatsächlich reich durch Sklavenhandel geworden, doch wo es im Film auf Betreiben von Nanisca politische Bemühungen
gibt, Dahomey zu einem friedlichen Bauernstaat umzugestalten, ist das einem neuzeitlichen Wunsch nach Versöhnung entsprungen. Tatsächlich beuteten die Dahomey selbst Sklaven aus – doch historisch korrekt war schon „Braveheart“nicht. Die Funktion von „The Woman King“ist eine andere, nämlich zu
vermitteln, dass unter den versklavten Vorfahren stolzer Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner auch Kriegerinnen gewesen sein könnten – wie Nawi und Nanisca.
Film: „The Woman King“. Historienfilm, USA 2022. Regie: Gina PrinceBythewood. Mit Viola Davis, Thuso Mbedu, Lashana Lynch. Start: 7. 10.