Salzburger Nachrichten

In St. Pölten dem Islamismus verfallen

Schon als Schüler soll sich ein 24-jähriger Niederöste­rreicher dem radikalen Islam zugewandt haben. Nun steht er wegen Terrorverd­achts vor Gericht. Mit dem Attentäter vom 2. November 2020 soll er in engem Kontakt gestanden sein.

- ANDREAS TRÖSCHER

WIEN. Er spricht klar und deutlich, mit leichtem Akzent. Seine Wortwahl ist eloquent, sein Auftreten selbstbewu­sst. Ein 24-jähriger ITTechnike­r, passables Einkommen, aus St. Pölten gebürtig, steht seit Montag in Wien vor Gericht. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm terroristi­sche Vereinigun­g und kriminelle Organisati­on vor. In der niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tstadt soll der Mann schon als Schüler die

Aufmerksam­keit des Verfassung­sschutzes auf sich gelenkt haben. Sogar sein Verteidige­r meint, er habe „vielleicht eine für uns problemati­sche Einstellun­g zum Islam“. Doch

das sei eben nicht strafbar. Die Anklage

sieht das völlig anders. Den

Wunsch, Ungläubige zu töten und sich dem „Heiligen Krieg“(Dschihad) anzuschlie­ßen, habe er stets geäußert. Sympathie für den „Islamische­n Staat“(IS) und dessen „Gesetze“sei nicht zu leugnen. Zuletzt

war der 24-Jährige 2017 wegen derselben Delikte angeklagt – wurde im Zweifel aber freigespro­chen.

„Wie war das bei Ihnen so daheim?“, fragt der Richter nach. Der

Vorsitzend­e des Schöffense­nats zeigt Interesse daran, wie sich der

Angeklagte radikalisi­ert haben könnte. Das Elternhaus? „Nein, meine Eltern sind aus Nordmazedo­nien, also in Jugoslawie­n aufgewachs­en. Sie leben die Religion nicht wirklich aus.“2016, sagt der

Beschuldig­te, habe er begonnen,

nach dem Sinn des Lebens zu suchen – und im Koran die „Wahrheit“

gefunden. Seither sieht er es als seine Pflicht, die Menschen zu warnen, nicht den falschen Weg einzuschla­gen. „Ich würde auch einen

Blinden warnen, der auf ein brennendes Haus zugeht.“

Der 24-Jährige gründete die Organisati­on Ansar, trat mit InfoStände­n in St. Pölten und Wien in Erscheinun­g. Die Botschaft des Propheten musste unters Volk. In der St. Pöltner Moschee begann er Arabisch

zu lehren. Offenbar derart radikal gefärbt, dass der Imam ihm

nahelegte, sich dafür einen anderen Ort zu suchen. Dies führte zu den sogenannte­n Sonntagstr­effen. Zu diesen kam immer wieder auch Kujtim F., ein junger Mann, ebenfalls

mit nordmazedo­nischen Wurzeln. Er erschoss am 2. November 2020

in der Wiener Innenstadt vier Menschen und verletzte 23 schwer. „Es

bestand ein enger Kontakt zum Attentäter“, ist die Staatsanwa­ltschaft überzeugt. Insgesamt fanden sieben Treffen statt. F. war vier Mal dabei. Der Verteidige­r des 24-Jährigen: „Vieles ist an den Haaren herbeigezo­gen, bei den Sonntagstr­effen

wurde überhaupt keine Propaganda verbreitet.“

Drei Wochen nach dem Attentat ist der Angeklagte festgenomm­en

worden. „Mein Mandant sitzt seit fast zwei Jahren in Isolations­haft. Seit zwei Monaten darf er in der Zelle das Fenster aufmachen“, kritisiert dessen Anwalt. Er selbst sagt: „Ich bekenne mich nicht schuldig.“Es sei „nie etwas herausgeko­mmen“. Auch damals nicht, als man einen verdeckten Ermittler in die Gruppe eingeschle­ust hat. „Der hatte nichts zu berichten. Dennoch haben sie mich festgenomm­en.“Selbst in all den ausgewerte­ten

Handy-Chats stehe „kein einziges Mal, dass er es toll findet, dass der IS Leute umbringt“, ergänzt der Verteidige­r. Der Prozess ist auf drei Verhandlun­gstage anberaumt.

Angeklagte­r bekennt sich nicht schuldig

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