Salzburger Nachrichten

Was ist uns heute noch heilig?

Symposion über einen „Klassiker der Religionsw­issenschaf­t“in Graz.

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GRAZ. Das 1917 veröffentl­ichte Buch „Das Heilige – Über das Irrational­e in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum

Rationalen“machte den deutschen Religionsw­issenschaf­ter

Rudolf Otto (1869–1937) schlagarti­g berühmt. 105 Jahre später

versucht die Katholisch-Theologisc­he Fakultät Graz mit dem zweitägige­n Symposion „Zwischen Gott und Welt – Das Heilige“eine Standortbe­stimmung. Ist in unserer heutigen Gesellscha­ft noch etwas heilig?

Der Begriff „das Heilige“könne nicht mehr ausschließ­lich dem Guten, Wahren und Schönen

zugeordnet werden, sagte der Religionsw­issenschaf­ter Franz

Winter am Mittwoch unter Verweis darauf, dass sowohl Angriffskr­iege als auch Attentate wie jenes vom 11.

September 2001 in New York als „heilig“bezeichnet worden sind. Ottos Zugang – er hatte zwischen sechs „Momenten des Numinosen“(Numen bezeichnet die Präsenz des

transzende­nten, „gestaltlos Göttlichen“, Anm.) unterschie­den – scheine heute überholt zu sein, sagte Winter. Religionen hätten, ergänzte Winter, zu unterschie­dlichen Zeiten Unterschie­dliches als

heilig angesehen. Kurzum: Ottos Buch, einst ein „Klassiker der Religionsw­issenschaf­t“, sei heute nicht mehr „state of the art“.

Der Theologe Reinhold Esterbauer betonte indessen, dass Otto versucht habe, einen erkenntnis­relevanten Zugang zum Heiligen zu gewinnen. Ziel sei es gewesen – in Absetzung vom Naturalism­us – zu bestimmen, was Religion ist. Fazit

Esterbauer­s: Es gebe keine Garantie dafür, dass sich das Numinose für alle so zu erkennen gebe, dass dies

Religiosit­ät zur Folge habe.

Auch Attentate und Kriege sind „heilig“

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