Mobilität für eine lebenswertere Welt
Bestseller-Autorin Katja Diehl ist überzeugt, dass es für eine erfolgreiche Verkehrswende nicht viel Technik braucht.
Brachiale Argumente, zugespitzte Formulierungen und eingängige Beispiele aus dem „normalen Leben“– all das sind die üblichen Werkzeuge der allermeisten Mobilitätsexperten, wenn es darum geht, die Notwendigkeit für eine andere Art der Mobilität aufzuzeigen.
All das kann Katja Diehl natürlich auch. Und dennoch unterscheidet sich die in Hamburg lebende Autorin und Speakerin in vielen Belangen von ihren Kolleginnen und Kollegen. Anstatt die meiste Zeit über die Versäumnisse der Politik zu klagen und Vielfahrern vorzuwerfen,
wie schlecht ihr Lebensstil für das Klima sei, schildert die studierte Literaturwissenschafterin vor allem
positive Szenarien. Wie es wäre, wenn Parkplätze in den Städten dafür verwendet werden könnten, Bäume zu pflanzen oder Spielplätze anzulegen. Oder auch, wie viel Geld
wir uns durch weniger Autos sparen könnten – sogar, wenn man jetzt schon gar kein eigenes Fahrzeug besitzt.
Vor allen Dingen tut die Bestsellerautorin, die auch als PodcastHost erfolgreich ist, eines nicht: Sie stempelt Menschen, die tagtäglich
ihr Auto benutzen, nicht pauschal als gewissenlose Klimasünder ab –
ganz im Gegenteil. „Bei der Recherche zu meinem Buch habe ich mit
insgesamt 60 Menschen über ihr Mobilitätsverhalten gesprochen. Dabei hat mich am meisten überrascht, wie viele Menschen aus den
verschiedensten Gründen auf das Auto angewiesen sind, um ihren Alltag zu meistern“, so Katja Diehl, die bei den diesjährigen Salzburger
Verkehrstagen aus ihrem aktuellen Buch „Autokorrektur – Mobilität
für eine lebenswertere Welt“vorlesen wird.
„Die heute lebenden Menschen wurden ja seit ihrer frühesten Kindheit über das Autofahren sozialisiert, sind quasi mit dem Auto als Familienmitglied aufgewachsen.
Das hat zur Folge, dass nicht nur Menschen am Land, sondern auch Städter nicht selten vollkommen
vom Auto abhängig gemacht wurden.“
Viele Menschen an der Armutsgrenze, aber auch Senioren, die weniger mobil sind, sind im Alltag auf das Auto angewiesen. „Ich
habe auch mit Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen oder mit alleinerziehenden Müttern, die aus Angst vor Anfeindungen die öffentlichen Verkehrsmittel meiden. Wenn man nicht der Mehrheitsgesellschaft angehört, hat man oftmals keine andere Wahl. Ich hätte, ehrlich gesagt, nicht gedacht,
wie eklatant diese Schieflage in manchen Fällen ist.“
Das Hauptproblem ortet Katja Diehl in der seit Jahrzehnten gewachsenen
Subvention des „Systems Auto“. Dabei geht es nicht nur
um die gewohnten Privilegien wie steuerbegünstigte Dienstwägen
oder eine Energiepolitik, die sich seit Jahrzehnten mehr um die Interessen einschlägiger Öl-Despoten
kümmert als um die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung: „Es fängt schon damit an, dass es in Deutschland und Österreich das Grundrecht gibt, ein Auto auf öffentlichem Grund abzustellen. In anderen Ländern ist es seit vielen Jahren gang und gäbe, dass man einen privaten Abstellplatz vorweisen muss,
bevor man ein neues Auto anmelden kann.“In diesem Zusammenhang weist Diehl darauf hin, dass es in den Städten weniger um den „Kampf“zwischen Autofahrern
und Radfahrern gehe, sondern um eine effizientere Raumnutzung. „Solange ein Auto fährt, erfüllt es
immerhin noch ein Mindestmaß an Funktionalität. Sobald es jedoch
parkt, nimmt es nur noch überdimensional viel Raum in Anspruch –
und das im Durchschnitt mehr als 23 Stunden pro Tag.“
Genervt reagiert Katja Diehl auf so manches Verkehrsprojekt der Zukunft. „Wir brauchen keine Hyperloops oder Flugtaxis. Diese Technikflucht bietet keine Lösungen für die Verkehrsprobleme von heute. Viel klüger und einfacher
wäre es stattdessen, die vorhandenen Flächen neu zu verteilen und die Menschen dabei in den Fokus zu stellen.“Während die Mobilitätsexpertin der Verkehrspolitik Fantasielosigkeit vorwirft, sieht sie Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler als Vorreiterin: „Dass
man ein Millionenprojekt wie den Lobautunnel in Wien infrage stellt, ist mutig und wirklich notwendig“,
lobt sie. In Deutschland hingegen seien aktuell weitere 850 Autobahnkilometer geplant. Projekte, die bis dato keiner in Hinblick auf die Pariser Klimaziele hinterfragt hat.
Eines ist für Katja Diehl klar: „Würde ein Start-up heute ein neues Produkt namens Auto vorstellen, es würden sich keine Geldgeber
mehr dafür finden.“