Salzburg testet, woher der Wind
In Hintersee starten Messungen, in Thalgau gibt es positive Signale des Bundesheers. Die Zeit drängt, wenn das Land seine Energieziele bis 2030 erreichen will.
SALZBURG. Wann und wo werden Salzburgs erste Windkraftanlagen errichtet? Das ist noch immer eine sehr schwierige Zukunftsfrage.
Zumindest sind Vorbereitungen an möglichen Standorten weit gediehen. Am weitesten ist Flachau. Und bald soll es in der Osterhorngruppe mit Windmessungen ernst werden.
Die Gemeinden Hintersee und Faistenau haben deshalb ihre Bevölkerung informiert. Die Bürgermeister verweisen dabei auf Informationen der Salzburg AG und der Bundesforste als Grundeigentümer. Wenn die Bewilligungen
vorliegen und es das Wetter erlaubt, soll noch heuer oder im Frühjahr 2023 je ein Windmessmast am Anzenberg und am Ebenholzspitz
aufgestellt werden. Die Gittermasten werden 80 bis 100
Meter hoch, aber „durch das schlanke Profil aus weiterer Distanz kaum sichtbar“sein, betonen die Projektanten.
Erste grundlegende Lasermessungen seien vielversprechend
verlaufen. Im zweiten Schritt sollen verlässliche Informationen über die Windverhältnisse (Stärke, Richtung, Turbulenzen) in den Höhenlagen gesammelt werden. Erst auf Basis dieser genauen Messdaten sei festzustellen, „ob die Standorte tatsächlich für ein nachhaltiges Windenergieprojekt geeignet sind und die damit verbundenen Genehmigungsverfahren auf Gemeinde- und Landesebene beginnen können“. Mit
Sensoren werde man mindestens ein Jahr Daten sammeln. „Für den Transport werden weitestgehend
bestehende Zufahrten verwendet.“Nach den Messungen würden die Masten vollständig abgebaut. Zum Einsatz kämen auch Fledermaus-Beobachtungssysteme mit „Horchboxen“.
Betroffene Gemeinden reagierten auf die Auswahl der potenziel
len Windradstandorte durch das Land – im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden früher – nicht
negativ, sondern neutral bis positiv. Es gibt aber auch Bedenken vor allem wegen der Optik.
„Trotz vieler Unwägbarkeiten ist es mir wichtig, Kontakt mit den Projektinteressenten zu halten,
um die Bevölkerung aus erster Hand informieren zu können“, betonte
der Faistenauer Bürgermeister Josef Wörndl (ÖVP).
Sein Hinterseer Amts- und Parteikollege Paul Weißenbacher legt
Wert auf Einbindung der Bevölkerung und Informationen darüber, „was kommt und wie es wirklich ausschaut“. „Wenn das auf Augenhöhe abläuft, ist das Verständnis viel größer.“Würde „über die Leute drübergefahren“, gäbe es Probleme. Weißenbacher steht
positiv zur Windkraft. „Jedem ist klar, dass wir Strom brauchen.“Es gehe um Verantwortung und um die Zukunft.
Das Erscheinungsbild künftiger Windparks dürfte auch an anderen Orten noch für viel Gesprächsstoff sorgen. Das Land hat entsprechende Erhebungen gemacht. Neben Standorten in Hintersee
und Faistenau sei demnach auch am Lehmberg bei Thalgau mit „großflächigen Einsehbarkeiten in allen Richtungen“zu rechnen.
Wie berichtet, planen dort die Salzburg AG und die Wien Energie maximal 14 Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von bis zu 229 Metern. Das Verteidigungsministerium wurde um Überprüfung gebeten, weil sich auf dem nahe gelegenen Kolomansberg die Radaranlage des Bundesheers für die Luftraumüberwachung befindet.
Für das Bundesheer steht mittlerweile fest, dass die Radaranlage kein Ausschlussgrund für einen
Windpark am Lehmberg ist. Aber: „Bestimmte Dinge gehen einfach
nicht“, sagt Ministeriumssprecher Michael Bauer. „Wir haben einen
gesetzlichen Auftrag und machen
„Ich stehe positiv dazu. Wir brauchen Strom aus Windkraft.“
das nicht zum Selbstzweck.“Standorte einzelner Windräder müssten gegebenenfalls versetzt
werden, um die Luftraumüberwachung nicht zu beeinträchtigen. Das Bundesheer befinde sich „in
guten Verhandlungen“mit den Projektbetreibern. Auch die Salzburg AG verweist auf laufende Abstimmungen mit dem Heer. Zudem warte man noch auf ein
hochfrequenztechnisches Radargutachten von Experten der Technischen Universität Graz.
Kaum ein Thema dürften die Auswirkungen auf das Landschaftsbild hingegen an den
Standorten Sulzau bei Werfen („äußerst geringe Fernwirkung“)
und am Windsfeld bei Flachau („keine relevante Sichtbeziehung zu nächstgelegenen Ortschaften“) sein. Bei Letzterem sind die Projektentwickler, eine Handvoll Privatpersonen und die Salzburg AG, schon deutlich weiter. In wenigen Monaten wird die Widmung erwartet, die Gemeinde steht hinter dem Projekt. Anfang 2023 soll die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) starten. Bei positivem Abschluss könnten die Genehmigungsverfahren
in die Wege geleitet werden.
Marcus Scherer, Geschäftsführer der Windsfeld GmbH, spricht von einem frühestmöglichen Baubeginn 2025 oder 2026. Dieser Einschätzung liege jedoch die unwahrscheinliche Annahme zugrunde, dass es keine Einsprüche gäbe. Da der Alpenverein vehement gegen das Projekt opponiere, rechne er mit Widerstand gegen behördliche Entscheidungen,
womöglich bis zur letzten Instanz, dem Europäischen Gerichtshof. In diesem Fall wäre eine Verzögerung bis 2030 und darüber hinaus zu befürchten. Die Verkürzung
von UVP-Verfahren helfe kaum. „Ob die UVP neun oder 18 Monate dauert, ist nebensächlich, die echten Zeitfresser haben wir woanders.“Die Windsfeld GmbH
plant mindestens acht Windräder, unter Umständen mehr. Die Anlage könne bis zur Hälfte der Salzburger Energieziele bei der Windkraft bis 2030 (250 Gigawattstunden), abdecken, sagt Scherer. Verzögert sich das Projekt in Flachau,
ist das Landesziel kaum zu erreichen.