Die Gemeinde muss nicht Schnee räumen
Maria Alm hat alle Verfahren um den Winterdienst im Zweitwohnsitzgebiet von Hinterthal gewonnen.
MARIA ALM. Auf dieses Erkenntnis haben die Pinzgauer Gemeinden mit Spannung gewartet. Der Maria Almer Bürgermeister Hermann Rohrmoser (SPÖ) spricht sogar von einer Leitentscheidung für
ganz Österreich, die vor allem Gemeinden in Salzburg, Tirol und Vorarlberg betreffe. Sowohl in einem verwaltungsrechtlichen als auch in einem zivilrechtlichen Verfahren, das bis zum Obersten Gerichtshof ging, wurde festgestellt, dass die Gemeinde Maria Alm nicht verpflichtet ist, die Privatstraßen im Zweitwohnsitzgebiet des Ortsteils Hinterthal zu räumen. Die Rechtsstreitigkeiten hatten sich über fast drei Jahre gezogen.
Angefangen hat alles mit dem Schneechaos im Jänner 2019. In Hinterthal, das zu den schneereichsten bewohnten Orten in Salzburg zählt, lag die
weiße Pracht über zwei Meter hoch. Die Gemeinde Maria
Alm war mit der Schneeräumung finanziell und personell
überfordert. Sie verrechnete zuletzt nur 50 Prozent der Kosten weiter. Und Mitarbeitende des Wirtschaftshofs
mussten nach den dauernden Räumeinsätzen im Frühjahr
wochenlang in Zeitausgleich gehen und hinterließen Lücken. Die Gemeinde beschloss deshalb, vier private Ringstraßen, die hauptsächlich Zweitwohnsitze erschließen, nicht mehr zu räumen. Das teilte die
Gemeinde den betroffenen Weggenossenschaften im Dezember 2019 mit. Die Genossenschaften klagten. Sie beriefen sich auf eine
Vereinbarung zwischen den Grundbesitzern und der Gemeinde aus den 1960er-Jahren.
Hinterthal gehört großteils der Familie Spitzy. Ihr Vorfahr, der deutsche Industrielle Hermann
Schmidtmann, hatte die Höfe im 19. Jahrhundert aufgekauft. Bis in
die 1960er-Jahre war das Tal sonst fast unbebaut. Dann begann die Familie Spitzy mit der touristischen Erschließung und
„Das Erkenntnis ist eine Leitentscheidung für ganz Österreich.“H. Rohrmoser, Bürgermeister
ließ sich mehrere Hektar Land in Zweitwohnsitzgebiet umwidmen. Das dazugehörige Straßennetz finanzierte die Familie. Dafür soll der damalige Bürgermeister Josef Hölzl (ÖVP) die Schneeräumung durch die Gemeinde zugesagt haben. Die machte es dann auch bis 2019. Ein Schriftstück
konnten die Kläger allerdings nicht auffinden. Laut dem Höchstgericht kann sich aber eine Gemeinde nur schriftlich zu etwas verpflichten. Weiters stellte das Gericht fest, dass die Gemeinde, wenn sie den Winterdienst freiwillig erledigt, das nicht für immer machen müsse und eine Vereinbarung jederzeit
widerrufen könne. Der Widerruf sei rechtzeitig erfolgt.
Neben diesem zivilrechtlichen Verfahren gab es auch das ver
waltungsrechtliche. Die Genossenschaften stellten den Antrag,
dass die Straßen zu Gemeindestraßen werden, die die Gemeinde räumen muss. Ihr Argument
war, dass es sich um eine geschlossene Bebauung handle und
die vier Straßen die Verkehrsbedeutung
von Gemeindestraßen hätten.
Das Landesverwaltungsgericht beruft sich in seiner Entscheidung auf das Landesstraßengesetz. Darin heißt es, dass Gemeindestraßen größere Siedlungen miteinander verbinden.
Was eine größere Siedlung ist, wird aber nicht definiert. Fündig geworden ist man dann im sogenanten Fels-Gesetz, dem Gesetz
über den Fonds zur Errichtung des ländlichen Straßennetzes in
Salzburg. Dort heißt es, eine größere Siedlung sei eine geschlossene Ansiedlung mit mindestens
30 ständig bewohnten Bauten. „Als ständig bewohnte Bauten
gelten Bauten mit Hauptwohnsitzen“, sagt der Bürgermeister. „Alle vier Straßen verfehlen diese Grenze bei Weitem.“Das Verwaltungsgericht kam daher zu dem Schluss, dass die Straßen nicht die Verkehrsbedeutung einer Gemeindestraße hätten. Die Bewohner müssen künftig auf einen privaten Räumdienst zurückgreifen, der sie wesentlich teurer kommt.
Übrigens muss die Gemeinde aus Kapazitätsgründen bei manchen Straßen ebenfalls – wie die meisten Weggenossenschaften – Private beauftragen.