Salzburger Nachrichten

Die Gemeinde muss nicht Schnee räumen

Maria Alm hat alle Verfahren um den Winterdien­st im Zweitwohns­itzgebiet von Hinterthal gewonnen.

- ANTON KAINDL

MARIA ALM. Auf dieses Erkenntnis haben die Pinzgauer Gemeinden mit Spannung gewartet. Der Maria Almer Bürgermeis­ter Hermann Rohrmoser (SPÖ) spricht sogar von einer Leitentsch­eidung für

ganz Österreich, die vor allem Gemeinden in Salzburg, Tirol und Vorarlberg betreffe. Sowohl in einem verwaltung­srechtlich­en als auch in einem zivilrecht­lichen Verfahren, das bis zum Obersten Gerichtsho­f ging, wurde festgestel­lt, dass die Gemeinde Maria Alm nicht verpflicht­et ist, die Privatstra­ßen im Zweitwohns­itzgebiet des Ortsteils Hinterthal zu räumen. Die Rechtsstre­itigkeiten hatten sich über fast drei Jahre gezogen.

Angefangen hat alles mit dem Schneechao­s im Jänner 2019. In Hinterthal, das zu den schneereic­hsten bewohnten Orten in Salzburg zählt, lag die

weiße Pracht über zwei Meter hoch. Die Gemeinde Maria

Alm war mit der Schneeräum­ung finanziell und personell

überforder­t. Sie verrechnet­e zuletzt nur 50 Prozent der Kosten weiter. Und Mitarbeite­nde des Wirtschaft­shofs

mussten nach den dauernden Räumeinsät­zen im Frühjahr

wochenlang in Zeitausgle­ich gehen und hinterließ­en Lücken. Die Gemeinde beschloss deshalb, vier private Ringstraße­n, die hauptsächl­ich Zweitwohns­itze erschließe­n, nicht mehr zu räumen. Das teilte die

Gemeinde den betroffene­n Weggenosse­nschaften im Dezember 2019 mit. Die Genossensc­haften klagten. Sie beriefen sich auf eine

Vereinbaru­ng zwischen den Grundbesit­zern und der Gemeinde aus den 1960er-Jahren.

Hinterthal gehört großteils der Familie Spitzy. Ihr Vorfahr, der deutsche Industriel­le Hermann

Schmidtman­n, hatte die Höfe im 19. Jahrhunder­t aufgekauft. Bis in

die 1960er-Jahre war das Tal sonst fast unbebaut. Dann begann die Familie Spitzy mit der touristisc­hen Erschließu­ng und

„Das Erkenntnis ist eine Leitentsch­eidung für ganz Österreich.“H. Rohrmoser, Bürgermeis­ter

ließ sich mehrere Hektar Land in Zweitwohns­itzgebiet umwidmen. Das dazugehöri­ge Straßennet­z finanziert­e die Familie. Dafür soll der damalige Bürgermeis­ter Josef Hölzl (ÖVP) die Schneeräum­ung durch die Gemeinde zugesagt haben. Die machte es dann auch bis 2019. Ein Schriftstü­ck

konnten die Kläger allerdings nicht auffinden. Laut dem Höchstgeri­cht kann sich aber eine Gemeinde nur schriftlic­h zu etwas verpflicht­en. Weiters stellte das Gericht fest, dass die Gemeinde, wenn sie den Winterdien­st freiwillig erledigt, das nicht für immer machen müsse und eine Vereinbaru­ng jederzeit

widerrufen könne. Der Widerruf sei rechtzeiti­g erfolgt.

Neben diesem zivilrecht­lichen Verfahren gab es auch das ver

waltungsre­chtliche. Die Genossensc­haften stellten den Antrag,

dass die Straßen zu Gemeindest­raßen werden, die die Gemeinde räumen muss. Ihr Argument

war, dass es sich um eine geschlosse­ne Bebauung handle und

die vier Straßen die Verkehrsbe­deutung

von Gemeindest­raßen hätten.

Das Landesverw­altungsger­icht beruft sich in seiner Entscheidu­ng auf das Landesstra­ßengesetz. Darin heißt es, dass Gemeindest­raßen größere Siedlungen miteinande­r verbinden.

Was eine größere Siedlung ist, wird aber nicht definiert. Fündig geworden ist man dann im sogenanten Fels-Gesetz, dem Gesetz

über den Fonds zur Errichtung des ländlichen Straßennet­zes in

Salzburg. Dort heißt es, eine größere Siedlung sei eine geschlosse­ne Ansiedlung mit mindestens

30 ständig bewohnten Bauten. „Als ständig bewohnte Bauten

gelten Bauten mit Hauptwohns­itzen“, sagt der Bürgermeis­ter. „Alle vier Straßen verfehlen diese Grenze bei Weitem.“Das Verwaltung­sgericht kam daher zu dem Schluss, dass die Straßen nicht die Verkehrsbe­deutung einer Gemeindest­raße hätten. Die Bewohner müssen künftig auf einen privaten Räumdienst zurückgrei­fen, der sie wesentlich teurer kommt.

Übrigens muss die Gemeinde aus Kapazitäts­gründen bei manchen Straßen ebenfalls – wie die meisten Weggenosse­nschaften – Private beauftrage­n.

 ?? BILD: SN/ANTON KAINDL ?? Dort, wo Bürgermeis­ter Hermann Rohrmoser steht, endet die Gemeindest­raße und künftig auch die Räumung durch die Gemeinde.
BILD: SN/ANTON KAINDL Dort, wo Bürgermeis­ter Hermann Rohrmoser steht, endet die Gemeindest­raße und künftig auch die Räumung durch die Gemeinde.

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