Salzburger Nachrichten

Die Angst vor einem zweiten Koreakrieg

Nordkorea führte diese Woche Raketentes­ts durch, bald schon könnte das isolierte Land laut Experten Atombomben testen. Wie heikel ist die Lage?

- CHRISTINA ZUR NEDDEN

Noch vor zwei Wochen fegte ein Taifun über Südkorea und hinterließ Chaos. Jetzt strahlt der Himmel an der demilitari­sierten Zone, der Grenze zwischen Süd- und Nordkorea. Nach den Satelliten­bildern ist seit Monaten alles auf dem

Testgeländ­e Punggye-ri bereit. Nun ist es trocken und somit ideales

Wetter für einen Atomwaffen­test. Experten sagen, dass Nordkorea innerhalb der nächsten vier Monate das erste Mal seit 2017 Atomwaffen testen wird. Kann eine Eskalation

noch verhindert werden?

Die Lage ist fragil. Seit knapp zwei Wochen fliegen wieder Raketen. Die USA hatten zunächst einen Flugzeugtr­äger für gemeinsame Manöver nach Südkorea geschickt, US-Vizepräsid­entin Kamala Harris reiste nach Seoul. Die Antwort aus Pjöngjang ließ nicht lange auf sich

warten: Nordkorea schoss ballistisc­he Kurzstreck­enraketen auf das Meer vor der Ostküste ab. Am

Dienstag flog nach Angaben des südkoreani­schen Militärs eine ballistisc­he Mittelstre­ckenrakete über die japanische Inselgrupp­e. Es war

bereits der fünfte Waffentest Nordkoreas in den vergangene­n zehn Ta

gen und das erste Mal seit knapp fünf Jahren, dass wieder eine nordkorean­ische Rakete über die japanische Inselgrupp­e geflogen ist.

Die Tests sind Teil einer Provokatio­nswelle Pjöngjangs, dem es laut

UN-Sanktionen verboten ist, ballistisc­he Raketen, die Atomspreng­köpfe tragen können, zu erproben. „Nordkorea bereitet sich auf den zweiten Koreakrieg vor“, sagt Andrej Lankow bei einem Treffen in

Seoul. Er ist Direktor der Korea Risk Group, Professor an der Universitä­t in Seoul und einer der weltweit renommiert­esten Nordkorea-Experten. Die Waffen, die Nordkorea erstmalig testen will, werden „taktische Atomwaffen“sein, also kleinere Waffen, die zum Beispiel als Munition auf einem begrenzten Gefechtsfe­ld eingesetzt werden können.

Im April sagte Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, dass er mit taktischen Waffen die südkoreani­sche Armee auslöschen wolle, sollte sie den Norden provoziere­n. Und er könnte Erfolg haben. Südkorea besitzt keine Nuklearwaf­fen und seine ansonsten hochmodern­e Ausrüstung kann nichts gegen Atomwaffen ausrichten. „Bisher ging es bei den Tests nur um Abschrecku­ng, jetzt entwickelt Nordkorea

Waffen, die einem Angriff dienen könnten“, sagt Lankow.

Der koreanisch­e Krieg, der 1950 begann, ist nie offiziell beendet worden. Seit 1953 herrscht Waffenstil­lstand. Doch dass er in nächster Zeit erneut ausbricht, ist laut Lankow unwahrsche­inlich. Pjöngjang

bräuchte die Unterstütz­ung Pekings. Derzeit, und schon gar nicht

vor dem 20. Parteikong­ress in China am 16. Oktober, hat Peking kein Interesse an einem Konflikt vor der eigenen Haustür. „Nordkorea wartet auf den richtigen Moment. Dieser ist vermutlich nicht jetzt, aber sie

haben Ausdauer“, sagt Lankow.

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BILD: SN/IMAGO Seit dem 25. September hat Nordkorea sechs Mal Raketen gestartet.

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