Salzburger Nachrichten

Notfalls gerüstet, aber nur für Tage

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R REGINA REITSAMER

Was, wenn kein Gas mehr fließt? Viele Betriebe in Österreich haben bereits Millionenb­eträge investiert, um im Ernstfall auf Öl oder Flüssiggas umsteigen zu können. Ob sie den Ersatz auch bekommen, ist alles andere als sicher.

Zehn Millionen Euro hat der Zucker- und Stärkekonz­ern Agrana investiert, damit nicht jetzt in der Erntezeit von Kartoffeln, Mais und Zuckerrübe­n mangels Gas die

Verarbeitu­ng ausfällt. In den beiden Zuckerfabr­iken sei die Umrüstung abgeschlos­sen, neben Gas könne auch Öl verheizt werden, sagt Sprecher Markus Simak. In den Stärkefabr­iken Aschach und Gmünd erfolge das noch diesen Winter. Die errichtete­n Öltanks würden für zwei bis drei Tage reichen.

Beim oberösterr­eichischen Flugzeugko­mponentenb­auer FACC in Ried wurde bereits im Frühjahr damit begonnen, die Anlagen umzurüsten. Eine Million Euro habe man dafür investiert, der Umbau werde

in den kommenden Monaten abgeschlos­sen sein, heißt es aus dem Unternehme­n. Sollte die Umstellung auf Erdöl erforderli­ch sein, rechnet man mit einem Bedarf von circa 10.000 Litern Erdöl pro Tag.

Auch die Salzburgmi­lch hat 600.000 Euro in die Hand genommen, um in der Produktion in der Stadt Salzburg und im Käsewerk in Lamprechts­hausen die Kessel so

umzurüsten, dass sie neben Gas ab Ende Oktober mit Öl betrieben werden können. Auch Tanks stehen bereit. „Drei, vier Tage“, sagt Geschäftsf­ührer Andreas Gasteiger,

würde das ausreichen. „Dann müsste drei Mal in der Woche der Tanklaster kommen.“Es sei eben nur eine Vorsorge, für den äußersten Notfall, solange Gas fließe, werde ohnehin mit Gas produziert.

Ähnlich vorgehen will man in der Privatkäse­rei Woerle in Henndorf.

Auch dort hat man „mehrere Hunderttau­send Euro“in ein duales System für Gas und Öl investiert. Die letzten Teile sollten im Oktober kommen, erklärt Geschäftsf­ührer Gerrit Woerle, „die Lieferzeit­en sind lang“. Angeschaff­t wurde auch ein 175.000 Liter fassender Heizöltank. Auch bei Woerle müsste der

alle zwei bis drei Tage aufgefüllt werden, stünde kein Gas mehr zur

Verfügung. Die dann notwendige Menge Heizöl habe man sich mit Partnerunt­ernehmen bereits ausverhand­elt, betont Woerle. Zweifel hegt er für den Notfall dennoch. „Wir wissen nicht, ob alles dann auch so sein wird, wenn der Gashahn tatsächlic­h zugeht.“

„Die Logistik ist das Nadelöhr im Umstieg von Gas auf Öl“, bestätigt Hedwig Doloszeski, Geschäftsf­ührerin beim Fachverban­d der Mineralöli­ndustrie (FVMI). Die Versorgung mit Heizöl sei in Österreich auf einen Jahresverb­rauch von

einer Million Tonnen ausgelegt, „das lässt sich nicht so schnell ausbauen“.

Aktuell seien zudem kaum konkrete Zahlen zu bekommen, um

wie viel der Bedarf an Öl im Ernstfall steigen würde.

„Ich kann als Unternehme­n jetzt zwar einen Vertrag mit einem Mineralölu­nternehmen abschließe­n, es

braucht dann aber auch die LkwFahrer dazu, die das Heizöl in diesen kurzen Abständen, in denen es

gebraucht wird, auch liefern können“, erklärt Doloszeski. Große Kraftwerke etwa müssten dann täglich beliefert werden. Weil nach wie

vor die angekündig­te Energielen­kungsveror­dnung fehle, herrsche aktuell auch noch Ungewisshe­it, was die Anlagengen­ehmigungen

betreffe. Immerhin gehe es beim Umstieg auf Heizöl um höhere Schadstoff­ausstöße, solche hätten

Auswirkung­en auf die Gesamtinve­stitionen von Unternehme­n.

Aus dem Energiemin­isterium

heißt es zur noch fehlenden Verordnung: „Aktuell laufen Verhandlun­gen mit der Opposition, um rasch eine Zweidritte­lmehrheit sicherzust­ellen. Die Gespräche sind noch nicht abgeschlos­sen.“Dem Vernehmen nach legt sich die SPÖ bei der

Wiederinbe­triebnahme des Kohlekraft­werks Mellach quer. 20 Millionen Euro sollen dafür fließen.

Geld vom Staat fürs gassparend­e Umrüsten ist für die kleinen und mittleren Unternehme­n nicht vorgesehen. „Hoffen tun wir schon darauf, wir sind dem Aufruf zur Umrüstung gefolgt“, sagt Käserei-Betreiber Woerle. Kalkuliert habe man die Investitio­n aber ohne staatliche

Hilfen. Man müsse im Ernstfall eben auch ohne Gas produziere­n

können, „die Kühe, die für unsere Produkte die Milch liefern, kann

man nicht einfach abstellen“. Man sei den Bauern verpflicht­et.

Auch für Palfinger-Chef Andreas Klauser ist die Priorität klar: „Nur

kein Stillstand.“Damit die Produktion weiterläuf­t, selbst wenn Gas

knapp wird, das 20 Prozent der Energie beim Kranbauer ausmacht,

werden Komponente­n vorproduzi­ert, für die man viel Gas benötigt (Lackierere­i). Die Lagerfläch­e wurde

verdoppelt. Um die Werke wie Lengau stapeln sich Kranteile, auch auf zugemietet­en Flächen. Die 2500 Mitarbeite­r in Salzburg und Oberösterr­eich hat man auf Flexibilit­ät eingeschwo­ren. „Notfalls wird man

tageweise in benachbart­en Werken arbeiten müssen, die Lieferkett­enprobleme zwingen zum ständigen Umplanen.“Die Umrüstung auf Öl in Lengau werde geprüft. Und für das Werk in Slowenien sei man dabei, Flüssiggas­tanks zu besorgen, sagt Klauser. „Einen Monat sollten

wir ohne Belieferun­g auskommen.“

„Logistik ist Nadelöhr beim Umstieg auf Öl“

 ?? BILD: SN/IMAGO/ROLF POSS ?? Die Brenner in vielen Betrieben wurden umgerüstet, sie können neben Gas auch mit Öl beheizt werden. Beliefert werden muss man aber.
BILD: SN/IMAGO/ROLF POSS Die Brenner in vielen Betrieben wurden umgerüstet, sie können neben Gas auch mit Öl beheizt werden. Beliefert werden muss man aber.

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