Salzburger Nachrichten

Wie sich ein Katastroph­enmanager vorbereite­t

Brot einfrieren und Wasser bunkern? Was davon der oberste Krisenexpe­rte des Landes selbst macht und was er der Bevölkerun­g rät.

- ANNA BOSCHNER

SALZBURG. Hochwasser, Schneechao­s oder Pandemie: Als Leiter des Referats für Katastroph­enschutz beschäftig­t sich Markus

Kurcz täglich mit möglichen Bedrohunge­n für das Land. Wie in seinem Büro in der Michael-Pacher-Straße alles für den Ernstfall vorbereite­t ist und warum er dennoch nicht mit einem Blackout im Winter rechnet.

SN: Wie oft werden Sie als Panikmache­r bezeichnet?

Markus Kurcz: Ich muss sagen, dass das besser geworden ist, weil das Bedrohungs­bewusstsei­n gestiegen ist. Jetzt ist es so, dass die Leute, mit denen wir reden, sorgenvoll einem solchen Szenario entgegenbl­icken. Früher war das anders. Da gab es mehr – sagen

wir mal – handfeste Diskussio

nen. Zum Beispiel darüber, dass das alles eine Spinnerei ist. Natürlich, aus der Sicht des Endverbrau­chers wird oft die Komplexitä­t des Themas und des hohen Spezialisi­erungsgrad­s unserer Gesellscha­ft nicht erkannt. Strom

ist mehr als nur Licht und Heizung. Am Strom hängt auch alles andere. Wir leben in einer Region mit einer unglaublic­h hohen

Ausfallsic­herheit. Hätten wir bei jedem Gewitter einen Stromausfa­ll, wie ich das aus meiner Kindheit kenne, wäre die Welt ganz anders. Einen wirklichen Totalausfa­ll erleben wir sehr selten. Wenn Ampelsteue­rungen und

Verkehrsle­itsysteme ausfallen, wird es deutlich komplizier­ter.

SN: Wie bereiten Sie sich persönlich auf einen flächendec­kenden Stromausfa­ll vor?

Ich habe meinen Haushalt so ausgelegt, dass wir eine Woche locker auskommen. Wir haben ein Trockensor­timent und frieren regelmäßig Schöpfgeri­chte, Brot und Fleisch ein. Mir ist klar, dass diese Sachen bei einem Stromausfa­ll auftauen. Dennoch verarbeite ich in so einem Fall lieber erst diese Sachen, bevor ich zu Nahrung aus Dosen greife. Beim Fleisch achte ich darauf, große Stücke – wie einen ganzen Rehschlege­l – einzufrier­en. Der taut

nicht so schnell auf und dient für die anderen Speisen wiederum als Kühlakku. Ich habe drei Kühlboxen, einen Gasgriller bzw. Gasofen und einen kleinen Campingkoc­her mit Campingges­chirr. Dafür habe ich meistens zwischen fünf und zehn Liter Gas zu Hause.

Außerdem haben meine Frau und ich auf einen Wocheneink­auf umgestellt.

SN:

Scheinbar bereiten Sie sich nicht schon länger auf ein solches Szenario vor.

Seitdem ich begonnen habe, dieses Thema dienstlich aufzugreif­en. Zwischen 2010 und 2014 sind wir in diese Thematik inhaltlich eingestieg­en. Ich habe seitdem auch immer wieder Dinge ausprobier­t, wie unterschie­dliche Arten der Wasservers­orgung. Ich verwende jetzt keine Wasserkani­ster mehr, sondern habe pro Person zwei Sechserpac­ks Wasser auf Lager.

Wichtig ist mir auch, dass ich einen Raum im Haus temperiere­n

kann. Deswegen habe ich einen Einsatzofe­n. Ich schau immer, dass ich etwa einen Festmeter Holz und diese großen Pellets

verfügbar habe. Aber es ist auch nicht so, dass ich davon gleich eine Tonne zu Hause habe, dafür

habe ich nicht den Platz. Gerade experiment­iere ich auch mit einem Teelichtof­en. Dann haben

wir Kerzen, falls Batterien und alles andere ausfallen. Ich habe drei batteriebe­triebene Radios,

Taschenlam­pen und eine LEDLampe, die man mit Photovolta­ik

laden kann.

SN: Gleich drei Radios?

Eines würde reichen, aber ich habe halt drei. Zwei davon sind Walkmans, die man aus den 90er-Jahren kennt. Aber ich sehe das entspannt, theoretisc­h kann man ja das Handy auch als Radio verwenden. Außerdem haben wir uns in der Familie abgestimmt, wo wir uns treffen, wenn die Kommunikat­ion ausfällt. Hier

gilt, dass jeder tagsüber seine Dinge macht und wir uns am

Abend zu Hause sehen. Bei jüngeren Kinder braucht es wohl noch eine bessere Abstimmung.

SN:

Wie wahrschein­lich werden Sie diese Dinge benötigen?

Es gibt verschiede­ne Beispiele aus der jüngeren Vergangenh­eit,

wo wir immer sehr knapp an einem Ernstfall vorbeigesc­hrammt sind. Wir Katastroph­enschützer sind immer davon ausgegange­n, dass ein Blackout wahrschein­licher ist als eine Pandemie. Jetzt sind wir seit mehr als zweieinhal­b Jahren in einer pandemisch­en Situation, deswegen gehe ich davon aus, dass ein Blackout

nicht nur wahrschein­lich, sondern sogar realistisc­h ist.

SN: Auch für den kommenden Winter?

Würden wir aktuell nicht das Thema Energiekri­se diskutiere­n,

wären wir im Winter dem Blackout deutlich näher. Ein Bedrohungs­bewusstsei­n hilft, um Resilienz zu schaffen. Dennoch ist der Winter ernst zu nehmen. Einen Blackout aus der Energiekri­se heraus halte ich aber für unwahrsche­inlich. Viel eher kommen wir bald in Energielen­kungsmaßna­hmen. Außer es

passiert ein Wunder und es löst

sich das gesamte Gasthema auf.

Welche Maßnahmen zur Energielen­kung sind angedacht?

SN:

Energielen­kung ist eine nationale Zuständigk­eit. Wir sind davon abhängig, wie der Bund mit Großverbra­uchern und Ähnlichem umgeht. Es gibt verschiede­ne Möglichkei­ten, Energie zu lenken, von Sparmaßnah­men bis hin zu wirklichen Flächenabs­chaltungen.

Diese sollen aber um jeden Preis verhindert werden, das ist

klar. Wenn wir aber wirklich in eine Energielen­kung schlittern sollten, dann reden wir da von

Wochen, wenn nicht Monaten.

SN: Wie könnte das aussehen?

Flächenabs­chaltungen alterniere­nd durchs Land. Dass es also für jeden sowas wie eine stromgestü­tzte Alltagsnor­malität gibt, wo

man aber phasenweis­e ohne

Strom auskommen muss. Das stellt aber nur einen und vor allem den letzten Aspekt der Energielen­kung dar. Dafür gibt es auch wiederum eigene Experten,

die sich damit beschäftig­en.

SN: Wie erfolgt im Ernstfall die Kommunikat­ion mit der Bevölkerun­g?

Es ist nicht sinnvoll, in so einem Fall noch an eine internetge­stützte Kommunikat­ion zu denken.

Wir werden da schnell wieder auf einem Niveau in der Kommunikat­ion des Zweiten Weltkriegs mit Sirenen und Radio sein.

SN: Wie reagieren Sie, wenn jetzt der Strom ausfällt?

Mir bleibt auch nichts anderes

übrig, als abzuchecke­n, ob es sich nur bei uns um einen Stromausfa­ll handelt. Ich würde also einen Kollegen zum Bespiel in Tirol anrufen. Wenn bei ihm auch kein

Strom vorhanden ist, wäre das interessan­t. Wenn wir über Blackout reden, sprechen wir von einem überregion­alen Stromausfa­ll, der vermutlich sogar über die Grenzen Österreich­s hinausgeht.

Aber ganz ehrlich, wenn jetzt der Strom ausfällt, denke ich mir die ersten 15 Minuten gar nichts.

SN: Und nach 15 Minuten?

Wenn es eine halbe Stunde keinen Strom gibt und auch die Mobilfunkv­erbindung abreißt, dann lohnt es sich schon, darüber nachzudenk­en, was los ist. Sollte ein Blackout eintreten, werden

wir uns im Büro abmarschbe­reit machen. Für den Katastroph­enschutz ist dann die Landesalar­mund Warnzentra­le (LAWZ) Anlaufstel­le. Bücher und Ordner in meinem Regal, die einen gelben

Aufkleber haben, sind zum Einpacken und Mitnehmen vorgesehen. Außerdem habe ich in meinem Büro schwere Schuhe und eine gepackte Reisetasch­e.

Was raten Sie Salzburger­innen und Salzburger­n, die sich noch nie Gedanken über eine Notfallver­sorgung gemacht haben?

SN:

Wir haben einen Blackout für wahrschein­licher als eine Pandemie gehalten.

Die automatisi­erte Familienzu­sammenführ­ung im Ernstfall zu

besprechen. Alles andere lässt sich anders organisier­en.

Zur Person

Markus Kurcz (54) leitet das Referat für Katastroph­enschutz

und Sicherheit des Landes Salzburg. Zuvor war er zehn Jahre lang Bürgermeis­ter der Flachgauer Gemeinde Elixhausen.

Außerdem war der gebürtige Südburgenl­änder Berufsoffi­zier beim Bundesheer.

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BILD: SN/ANNA BOSCHNER „Ich habe meistens zwischen fünf und zehn Liter Gas zu Hause“, sagt Katastroph­enmanager Markus Kurcz.
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