Die heilende Göttin im Netz der Obus-Leitungen
Sie ist eine der wenigen Frauenfiguren im öffentlichen Raum in der Stadt Salzburg, von Madonnendarstellungen abgesehen.
Die schlichte Schöne blickt von oben auf die Müllner Kreuzung.
Die Skulptur aus Untersberger Marmor steht in einer Mauernische am Eckhaus Müllner Hauptstraße/Gaswerkgasse.
Die Blicke auf sie bestimmen die Obus-Leitungen mit, die an diesem neuralgischen Verkehrsknotenpunkt ein Netz bilden. Je nach Betrachterinstandpunkt
verdecken die Leitungen Teile der Frauenfigur oder bringen sie
in Szene. In diesem Perspektivspiel verändert sie sich jedenfalls ständig, das macht durchaus auch ihren Reiz aus.
Sie ist eine Göttin, Hygieia, die personifizierte Gesundheit.
Das erklärt auch ihren Standort am Rand des Landeskrankenhaus-Areals. 1950 wurde sie hier aufgestellt, ihr Schöpfer ist der
Salzburger Bildhauer Max Rieder (1909–2000). Er arbeitete 1936 bis 1945 im Atelier des NSKünstlers Josef Thorak in München, bereits 1946 kehrte er
nach Salzburg zurück, ab den 1970ern unterrichtete er Bildhauerei an der Salzburger Sommerakademie für Bildende Kunst. In Lehen ist seit 2004 eine Brücke über den Glanbach nach ihm benannt. Die Salzburger Straßennamenkommission stufte die NS-Belastung Rieders in ihrem Bericht in der Kategorie „nicht gravierend oder nachweisbar“ein.
Max Rieders Hygieia lohnt das mehrmalige Hinschauen. In einer Hand hält die Tochter des Äskulap eine Schale, in der anderen eine Schlange, die anhebt, daraus zu trinken. Das Gefäß und die ungiftige Äskulapnatter sind denn auch ihr Erkennungszeichen und machen sie zur Patronin der Apothekerinnen
und Apotheker. Im Logo der Österreichischen Apothekenkammer sind Hygieias Schale und Schlange auch vertreten. Der Schlangenstab des Äskulap ist allgemein Symbol für die Medizin.
Die Heilgöttin ist am richtigen Ort, sie soll Genesung
bringen, die Schlange ist Symbol für die Wandlung.