Hüte können viel mehr als Köpfe schützen
Im Bayerischen Nationalmuseum in München dreht sich in diesem Herbst alles um Hüte, Hauben und Hip-Hop-Caps.
MÜNCHEN. Der Fleck muss eigentlich weg. Aber bei Smudo ist das etwas anderes, da wird der Makel zum auratischen i-Tüpfelchen, das sagt: Dieses Basecap hat Fanta-4Rapper Michael Bernd Schmidt wahrlich getragen. So wird es auch wie eine Reliquie in einem Glaskästlein vorgeführt – im Bayerischen Nationalmuseum (BNM) in München. Mit einem Augenzwinkern.
Doch wer weiß, wie viele Fans der Fantastischen demnächst ehrfürchtig davorstehen, bis das Käppi im Frühjahr wieder an Smudo zurückgehen wird, sodass der die Wintermütze ablegen kann. Denn das ist ja das Desaster: Alle wollen es kuschlig und knautschbar haben, und nachdem mit Queen Elizabeth die
letzte urbi et orbi leuchtende HutReklame abgetreten ist, wird es mit dem steif geformten Chic nicht besser.
Dabei sorgt der Klimawandel angeblich für spürbare Rückbesinnungen. Das jedenfalls hört Johannes Pietsch, der Mode-Konservator des BNM. Die gebeutelten Huthersteller schöpften Hoffnung, Sonnenschutz mit Krempe sei wieder gefragt. Und wenn man auf die Bühnen der Welt blickt, gibt es auch
noch die Lindenbergs und die Dylans. Aber die sind schon etwas
in die Jahre gekommen, und die Selbstverständlichkeit, mit der unsere Eltern und Großeltern gut behütet auf die Straße gingen, dürfte vorbei sein.
In einer Ausstellung mit so vielen außergewöhnlichen Kreationen
muss das zwangsläufig Melancholie auslösen. Am Museum sind über die Jahrhunderte Tausende von Kopfbedeckungen zusammengekommen, allein 500 ländliche oder Trachtenhüte aus Süddeutschland
und Österreich werden gezählt. Das schreit nach einer Präsentation. Dass man möglichst viel zeigen will, liegt in der Natur einer der weltweit
wichtigsten Sammlungen. Die Schau quillt über, das macht es ein
bisschen anstrengend, und doch geht man mit großer Lust durch die chronologisch gereihten Exponate.
Vom altägyptischen Haarnetz – Restauratorin Dagmar Drinkler hat
wieder gezaubert – über die im Mittelalter so beliebten Baretts für Mann und Frau, diverse Schlapphüte,
Zylinder oder Biedermeierhauben bis hin zu Jackie Kennedys legendärer Pillbox und den
lustigen Häkelmützen von Myboshi.
Dazwischen fällt der simple Wollfilzhut einer Moorleiche aus dem späten 17. Jahrhundert ins
Auge, gefunden bei Kolbermoor im Landkreis Rosenheim. Oder eine mit unzähligen vergoldeten
Plättchen besetzte Flinderhaube aus Nürnberg, von denen überhaupt nur drei in öffentlichen Sammlungen existieren – eine in Salzburg. Mit solchem Kopfputz
konnte man in den kargen Zeiten nach dem Dreißigjährigen Krieg zum Ausdruck bringen, dass es flirrend nach oben geht.
Dagegen sind Hauben, wie sie gut hundert Jahre zuvor noch
Augsburger Patrizier trugen, eine dezente Angelegenheit. Und Jakob Fugger hat keineswegs
geknausert, wenn es um die Anschaffung seiner Goldkappen aus Venedig ging.
Dass der als Geizkragen verschriene Bayernkönig Ludwig I.
gleich ganze Bataillone von
Von Barrett über Schlapphut bis Pillbox
sündteuren Hüten à la mode hat
fertigen lassen, ist eine Überraschung. Zur Jagd bei Kaiser Napoleon erschien er mit einer exakten Nachbildung von dessen typischem Zweispitz. Schrill
wirkt daneben seine olivgrüne Schirmmütze aus späten Kronprinzenzeiten, da hatte er die schöne Marchesa Florenzi bereits im Visier.
Mit Hüten kann man eben beeindrucken oder Staat machen.
Auch das wird in dieser Ausstellung deutlich. Deshalb kommt es nicht von Ungefähr, dass im Zuge der 68er-Bewegung das Faible für Hüte zurückgegangen ist. Das
hat die Damen in den 1970ern zwar nicht gehindert, Ausladendes aufzusetzen, und auch Prinzessin Diana ließ die Hutmacher noch einmal aufatmen.
Doch das Extraordinäre ist geblieben. Das demonstriert der krempenlose Riesen-Bowler von Franco Moschino aus dem Jahr 1988, bestückt mit vierzehn
Teddys. Sollte auf Schloss Sankt Emmeram in Regensburg jemals die Heizung abgedreht werden,
behält Leihgeberin Gloria von Thurn und Taxis einen warmen Kopf. Ansonsten wird’s eher sportlich. Das Basecap hat eh
längst den Sieg davongetragen. Das verbindet, das kann sich jeder leisten. Und Flecken wie bei
Smudo sind leicht zu kopieren.
„Seit der Antike ist der Hut nicht nur vor Witterung oder Verletzungen schützendes oder zierendes Kleidungsstück, sondern er (...) besitzt zeichenhafte wie kommunikative Funktion.“Frank Matthias Kammel, Bayerisches Nationalmuseum
Ausstellung: „Hauptsache – Hüte, Hauben, Hip-Hop-Caps“, Bayerisches Nationalmuseum München, bis 30. April 2023.