Sonntagsfragen und der Umfrage-Kehraus vor der eigenen Tür
Die Medienmarktforschung unterliegt den höchsten Qualitätskriterien. Das muss auch für die Veröffentlichung von Wahlprognosen gelten.
So daneben die Umfragen zur Tiroler Landtagswahl waren, so nahe kamen sie dem Ergebnis der Bundespräsidentenkür. Dennoch bleibt da wie dort der Nachgeschmack einer von
manchen Medien und Instituten versuchten Inszenierung – vom totalen Absturz der regionalen Volkspartei, der dann nur gewaltig war,
bis zu einer Stichwahl um die Hofburg, die letztlich weit verfehlt wurde.
Doch das Prognosestakkato zu künftigen Wahlen geht ebenso weiter wie die Qualitätskritik an einigen Erhebungen. Dahinter steckt auch ein Methodenstreit. Der Verband der Markt- und Meinungsforschung (VdMI) empfiehlt mindestens 800 Interviews im Verhältnis
von 2:1 zwischen Telefon und Online. Das gilt aber nur für die sogenannte Sonntagsfrage, die
wegen bis zu 30 Prozent nicht Deklarierten eine besonders große Stichprobe benötigt – für die Rohdaten, die dann je nach Erfahrung
recht oder schlecht hochgerechnet werden.
Bundesweit und für die vier bevölkerungsreichsten Länder Wien-, Nieder-, Oberösterreich sowie die Steiermark ermöglichen jedoch auch reine Onlinebefragungen repräsentative Resultate. Darüber sind sich die Experten einig.
Schon der Laie erkennt indes, dass selbst höchste Befragtenzahlen und härteste Qualitätskriterien kein Garant für plausible Marktforschungsdaten sind. Das zeigt die auf 15.000 Interviews beruhende Media-Analyse zur Ermittlung der Reichweiten von Zeitungen. Die Division der derart erfragten Zahlen durch die
verbreitete Auflage ergibt die Leser pro Papierexemplar (und E-Paper). Dass ein Boulevardblatt dabei auf zehn kommt, wirkt durch den Namenswechsel von Kauf- und Gratisausgabe
noch halbwegs erklärbar. Wie eine nationale Qualitätszeitung aus Wien acht Leser pro Stück erreichen soll, weiß aber niemand. Die MediaAnalyse braucht dringend eine Reform – und arbeitet bereits daran.
Ähnliches gilt für die Messung von TVReichweiten. Die durch ein Panel mit 1670 Haushalten am Tag danach gemeldeten Quoten unterscheiden sich oft enorm von endgültig gewichteten Zahlen. Auch deshalb hat sich die Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT) an der Red-Bull-Tochter TV Insight beteiligt, die
internetbasierte Echtzeitmessungen liefert. Diese Daten ergänzen künftig die AGTT-Werte.
Die Medienmarktforschung ist zwar nicht mit der Sonntagsfrage zu vergleichen, doch die Sorgfalt im Umgang mit solchen Daten. So wie sie in der eigenen Branche nicht zur PR verkommen dürfen, sind im politischen Zusammenhang Erhebungsqualität und Präsentationstransparenz unabdingbar. Sie entscheiden
über Glaubwürdigkeit von Auftraggeber und -nehmer. Auch dabei gibt es Reformbedarf.
Peter Plaikner