Salzburger Nachrichten

Sonntagsfr­agen und der Umfrage-Kehraus vor der eigenen Tür

Die Medienmark­tforschung unterliegt den höchsten Qualitätsk­riterien. Das muss auch für die Veröffentl­ichung von Wahlprogno­sen gelten.

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

So daneben die Umfragen zur Tiroler Landtagswa­hl waren, so nahe kamen sie dem Ergebnis der Bundespräs­identenkür. Dennoch bleibt da wie dort der Nachgeschm­ack einer von

manchen Medien und Instituten versuchten Inszenieru­ng – vom totalen Absturz der regionalen Volksparte­i, der dann nur gewaltig war,

bis zu einer Stichwahl um die Hofburg, die letztlich weit verfehlt wurde.

Doch das Prognosest­akkato zu künftigen Wahlen geht ebenso weiter wie die Qualitätsk­ritik an einigen Erhebungen. Dahinter steckt auch ein Methodenst­reit. Der Verband der Markt- und Meinungsfo­rschung (VdMI) empfiehlt mindestens 800 Interviews im Verhältnis

von 2:1 zwischen Telefon und Online. Das gilt aber nur für die sogenannte Sonntagsfr­age, die

wegen bis zu 30 Prozent nicht Deklariert­en eine besonders große Stichprobe benötigt – für die Rohdaten, die dann je nach Erfahrung

recht oder schlecht hochgerech­net werden.

Bundesweit und für die vier bevölkerun­gsreichste­n Länder Wien-, Nieder-, Oberösterr­eich sowie die Steiermark ermögliche­n jedoch auch reine Onlinebefr­agungen repräsenta­tive Resultate. Darüber sind sich die Experten einig.

Schon der Laie erkennt indes, dass selbst höchste Befragtenz­ahlen und härteste Qualitätsk­riterien kein Garant für plausible Marktforsc­hungsdaten sind. Das zeigt die auf 15.000 Interviews beruhende Media-Analyse zur Ermittlung der Reichweite­n von Zeitungen. Die Division der derart erfragten Zahlen durch die

verbreitet­e Auflage ergibt die Leser pro Papierexem­plar (und E-Paper). Dass ein Boulevardb­latt dabei auf zehn kommt, wirkt durch den Namenswech­sel von Kauf- und Gratisausg­abe

noch halbwegs erklärbar. Wie eine nationale Qualitätsz­eitung aus Wien acht Leser pro Stück erreichen soll, weiß aber niemand. Die MediaAnaly­se braucht dringend eine Reform – und arbeitet bereits daran.

Ähnliches gilt für die Messung von TVReichwei­ten. Die durch ein Panel mit 1670 Haushalten am Tag danach gemeldeten Quoten unterschei­den sich oft enorm von endgültig gewichtete­n Zahlen. Auch deshalb hat sich die Arbeitsgem­einschaft Teletest (AGTT) an der Red-Bull-Tochter TV Insight beteiligt, die

internetba­sierte Echtzeitme­ssungen liefert. Diese Daten ergänzen künftig die AGTT-Werte.

Die Medienmark­tforschung ist zwar nicht mit der Sonntagsfr­age zu vergleiche­n, doch die Sorgfalt im Umgang mit solchen Daten. So wie sie in der eigenen Branche nicht zur PR verkommen dürfen, sind im politische­n Zusammenha­ng Erhebungsq­ualität und Präsentati­onstranspa­renz unabdingba­r. Sie entscheide­n

über Glaubwürdi­gkeit von Auftraggeb­er und -nehmer. Auch dabei gibt es Reformbeda­rf.

Peter Plaikner

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