Thailänder bei Red Bull: Diskret, reich, umstritten
Nach dem Tod von Dietrich Mateschitz sind bei Red Bull die thailändischen Mehrheitseigentümer um Chalerm Yoovidhya am Zug. Warum sich die Familie im Hintergrund hielt und sich das jetzt ändern wird.
FUSCHL, BANGKOK. Nach dem Ableben von Dietrich Mateschitz ist weiterhin unklar, wie es bei Red Bull
weitergeht. Es verdichten sich aber Hinweise, dass baldige Entscheidungen bevorstehen. In den nächsten zehn Tagen soll es ein Treffen zwischen den Thailändern und der Fuschler Spitze geben.
Aber wer ist jene thailändische Industriefamilie, die 51 Prozent von Red Bull hält und die Weichen im Milliardenkonzern nun stellen
wird? Die Familie Yoovidhya gilt als diskret und verschwiegen, zählt mit einem Vermögen von rund 27 Milliarden Dollar zu den reichsten Familien Asiens und steht wegen ihrer guten politischen Vernetzung im Land immer wieder in der Kritik.
Aber der Reihe nach: Ihr Gründer Chaleo Yoovidhya hatte sich aus bitterster Armut hochgearbeitet. Sein
Vater war ein chinesischer Migrant, der die Familie mit Entenzucht über
Wasser hielt. Chaleo musste schon als Kind mitarbeiten. Er ging 1945 nach Bangkok, schaffte mit einem neuartigen Softdrink namens „Krating Daeng“(zu Deutsch: roter Bulle) den Durchbruch – und fädelte in den 1980er-Jahren den globalen
Red-Bull-Deal mit Dietrich Mateschitz ein. Chaleo, der auch dem
thailändischen Senat angehörte, starb 2012 mit 90 Jahren. Chalerm, der älteste Sohn, hat heute bei den
Yoovidhyas das Sagen und spielte schon in der Geburtsstunde von
Red Bull eine Schlüsselrolle. Yoovidhyas Urgetränk Krating Daeng
lieferte quasi die Vorlage und Mixtur, Dietrich Mateschitz sollte außerhalb Asiens den neuartigen
Energydrink unter der Marke Red Bull einführen. Er mixte Krating Daeng dafür auf westliche Geschmäcker um, organisierte Vertrieb sowie Marketing. Aber wer sollte die neue Gesellschaft führen? „Sowohl mein Vater als auch Mateschitz
wollten die Kontrolle. Ich habe angeboten, ein Puffer zu sein“, sagte Chalerm Yoovidhya der „Bangkok Post“.
Genauso sollte es dann kommen: Chalerm Yoovidhya bekam zwei Prozent an Red Bull. Je 49 Prozent hielten die Firma seines Vaters (TC
Agro Holding) und Mateschitz. „Chalerm, ein besonnener Mann,
lebte damals in London und war mit Mateschitz befreundet.“Folglich
habe sich diese Konstruktion in „einem typischen Verhandlungspatt“angeboten, erzählt ein Insider den SN. Ihm zufolge ging der Deal aber
weiter als bisher bekannt. Ein Syndikationsvertrag soll regeln, dass Chalerms Stimmverhalten jenem
von Mateschitz folgt. Das würde auch rechtlich erklären, warum Mateschitz all die Jahre nach Belieben operativ agieren konnte und die Thailänder so gut wie unsichtbar
waren. Der Syndikationsvertrag soll zudem festlegen, dass dies bis zum
Ausscheiden von Mateschitz gilt.
Dann wäre die thailändische Mehrheit am Zug. Eine Bestätigung dafür fehlt bislang. Offen ist auch, ob Mateschitz noch neue Festlegungen
mit den Thailändern treffen konnte. Im Firmenbuch scheinen Syndikationsverträge nicht auf.
Aber wie werden die Thailänder ihren Einfluss nun manifestieren? Betrachtet man die Erfolgsgeschichte, verbieten sich eigentlich
radikale Eingriffe. Red Bull ist hinter Coca Cola und Pepsi die teuerste Getränkemarke der Welt und
kommt auf knapp acht Milliarden Euro Umsatz. Zum Vergleich: Das
Urgetränk Krating Daeng, das die
thailändische Familie mit ihrer Firma TC Pharma aktuell auch in China pusht, will bis 2024 rund 2,4 Mrd. Euro schaffen. Dazu kommt, dass die Red-Bull-Markenrechte in der Firma von Mateschitz liegen, die wohl sein 30-jähriger Sohn Mark erben dürfte. Der mischt in einzelnen Beteiligungen führend
mit, an seinen Sprung an die Konzernspitze glauben aber die meisten Beobachter nicht.
Intern fällt der Name des Prokuristen Volker Viechtbauer (Recht und Personal), der ein langjähriger
Wegbegleiter des Gründers ist. Allerdings hört man auch: Mateschitz sei stets der Innovator gewesen. „Er
hatte die Ideen.“Weshalb auch eine Besetzung von außen möglich ist.
Der oder die müsste dann aber aus der globalen Topliga kommen.
Oder wollen die Thailänder selbst auf den Chefsessel? „Dass
Kinder aus der Familie Ansprüche stellten und Ambitionen zeigten, kam schon in der Vergangenheit
vor“, erinnert sich der Insider. Die Familie ist jedenfalls groß, Gründer Chaleo Yoovidhya hatte aus zwei Ehen elf Kinder. Als ambitioniert und ehrgeizig gilt Chalerms Halbbruder Saravoot, der das KratingDaeng-Geschäft in Asien leitet.
Chalerm Yoovidhya gehört in Thailand auch eine große Weinproduktion und der einzige offizielle Ferrari-Importeur des Landes. Für
viel Aufsehen sorgte, als er und seine Frau in den Panama Papers auftauchten, die die diskreten Steuergeschäfte von Reichen und Prominenten aufdeckten. Und dann war noch der Fall eines seiner Söhne, „Der Boss“genannt, der im Verdacht steht, mit seinem Ferrari einen Polizisten überfahren zu haben. „Red-Bull-Erbe auch zehn Jahre später noch auf freiem Fuß“, titelte im September die „Bangkok Post“. Und: Thailand sei kein Stück
weiter, diesen Fluchtfall zu lösen. Im südostasiatischen Land, das seit
Jahren großen Straßenprotesten ausgesetzt ist, bei denen mehr Demokratie und Gerechtigkeit gefordert werden, löste das Irritationen aus. Eine Umfrage der Firma Super
Poll ergab, dass 82 Prozent den Fall als internationale Blamage sehen. „Der Boss“ist übrigens abgetaucht.
Die Firma hat sich von ihm distanziert.